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Landgericht Berlin Urteil vom 10.08.2000 - 16 O 101/00 - Zur Namensrechtsverletzung der BRD durch eine Internetadresse "deutschland.de"
 

 

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LG Berlin v. 10.08.2000: Zur Namensrechtsverletzung der BRD durch eine Internetadresse "deutschland.de"


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 10.08.2000 - 16 O 101/00) hat entschieden:
Die Benutzung der Domain "deutschland.de" verletzt das Namensrecht der Bundesrepublik Deutschland. Der Namensschutz des BGB § 12 gilt, obwohl im Titel über natürliche Personen festgeschrieben, auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Begriff "Deutschland" ist auch nach BGB § 12 schutzfähig. Da "Deutschland" prägender Namensbestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist, liegt ein Verstoß auch ohne die zusätzliche Bezeichnung "Bundesrepublik" vor. Wegen der Griffigkeit und damit verbundenen Attraktivität der Domain musste ein Nutzer damit rechnen müssen, dass die Domain irgendwann vom Namensträger selbst genutzt werden könnte.




Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte das Namensrecht der Klägerin verletzt, indem sie die Internet-Adresse "http://deutschland.de" benutzt.

Die Beklagte ist ein in Frankfurt a. M. ansässiges Unternehmen, welches ein elektronisches (virtuelles) Kaufhaus betreibt, elektronische Werbeträger bereitstellt, elektronisch angebotene Produkte verkauft sowie Anschlüsse für den internationalen Netzzugang bereitstellt.

Die Beklagte ist seit 1995 tätig. Seit 1995 betreibt die Beklagte auch die Internetseite mit der Adresse "http://deutschland.de", die sie sich von dem deutschen Network Information Center in Karlsruhe (DENIC e.G.) hat zuweisen lassen. Die DENIC e.G. überprüft bei der Domain-Vergabe lediglich, ob die von einem Benutzer gewünschte Adresse bereits vergeben ist. Ist dies nicht der Fall, so wird die Domain ohne weitere Prüfung zugeteilt.

Über die Domain "http://deutschland.de" der Beklagten hat man Zugang zu einem deutschland- weiten Hotelführer ("http://deutschland.de/hotels") sowie weiteren Internet-Angeboten insbesondere aus dem kulturellen Bereich.

Die Bundesregierung plant in Zusammenarbeit mit den weiteren Verfassungsorganen und den Bundesländern, unter der streitgegenständlichen Domain ein so genanntes Internet-Portal einzurichten. Dieses soll auf einer zentralen Seite die Internet-Angebote der verschiedenen Verfassungsorgane, der einzelnen Bundesministerien sowie der einzelnen Bundesländer bündeln, um so dem Benutzer einen schnellstmöglichen Zugang zu dem jeweiligen Angeboten zu ermöglichen. Die von der Bundesregierung bei der DENIC e.G. beantragte Zuweisung der Domain "http://deutschland.de' scheiterte an der bereits vollzogenen Eintragung der Beklagten. Die Klägerin erwirkte bei der DENIC e.G. daraufhin einen Wartelisten-Eintrag, den diese pro Domain grundsätzlich nur ein Mal vergibt.

Im Frühjahr 1999 räumte die Beklagte dem ... die Domain "www.deutschland.de" ein, unter der dieser in Zusammenarbeit mit dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung die Online-Version der Zeitschrift "Deutschland" veröffentlicht.

Die Klägerin sieht in der Verwendung "deutschland.de" durch die Beklagte eine Verletzung ihres Namensrechts. Auch wenn die Klägerin in der Verfassung als "Bundesrepublik Deutschland" bezeichnet werde, stünde ihr ein Namensrecht auch allein an "Deutschland" zu. Der Namensbestandteil "Bundesrepublik" bezeichne nämlich lediglich die Organisationsform des Staates, der hinter dem die Klägerin individualisierenden Namensbestandteil "Deutschland" zurücktrete. Die Nutzung der Domain "http://deutschland.de" durch die Beklagte begründe die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung, da der Großteil der Internet-Nutzer hinter dieser Adresse ein staatliches Informationsangebot erwarte. Als berechtigte Namensinhaberin müsse sie sich nicht auf die (entgeltliche) Nutzung einer (Unter-)Domain verweisen lassen.

Die Klägerin beantragt,
worauf erkannt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet zunächst die Zulässigkeit der Klage. Kraft Natur der Sache sei der Bundespräsident für die Schaffung eines Internet-Portals zuständig und damit ordnungsgemäßer Vertreter der Klägerin.

Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die Domain "deutschland.de" könne aus verschiedenen Gründen nicht das Namensrecht der Klägerin verletzen:

Zunächst laute der vollständige und richtige Name der Klägerin "Bundesrepublik Deutschland". Dabei könne "Bundesrepublik" schon deshalb kein untergeordneter Namensbestandteil sein, weil diese Staatsform die Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen, in der Verfassung verankerten Rechtsordnung sei.

Weiter käme Internet-Domains grundsätzlich die Funktion einer Adresse und nicht die einer Namenskennzeichnung zu. Entscheidend sei daher der konkrete Gebrauch der Domain. Bei "deutschland.de" handele es sich jedoch um eine geografisch-beschreibende und nicht um eine namensmäßige Angabe. Gegenüber dem beschreibenden Gebrauch habe der Namensinhaber auch nicht das bessere Recht. Mangels einer gesetzlichen Regelung entscheide vielmehr allein der Zeitpunkt der Domain-Vergabe durch die DENIC e.G.. Dies veranschauliche insbesondere die Domain mit der beschreibenden Angabe "buecher.de", bei der die Inhaber des bürgerlichen Namens Buecher auf eine gleichlautende Internet-Adresse hätten verzichten müssen.

Auch bestünde hier nicht die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung: Internet-Nutzer erwarteten unter "deutschland.de" eben so wenig staatliche Informationen wie beispielsweise bei einem Bildband "Deutschland" eine amtliche Publikation vermutet werde. Im Gegenteil ginge die Erwartungshaltung der Benutzer dahin, ein privates Tourismus- oder lnternetdienstleistungsangebot anzutreffen. Ein staatliches Informationsangebot werde nämlich regelmäßig unter der Domain "gov", "admin" o. Ä. in das Internet eingestellt, da der jeweilige Ländername bereits durch die geografische Länder-Top-Level-Domain - für Deutschland "de" - bezeichnet werde.

Schließlich genießt die Domain "deutschland.de" nach Ansicht der Beklagten Bestandsschutz. Sie habe sich diese Domain bereits im Jahre 1995 zum Zwecke der Einrichtung eines Hotelsuchdienstes zuteilen lassen. Seitdem benutze sie die Adresse gutgläubig beschreibend und ohne Beanstandung durch die Klägerin, die ihrerseits ebenfalls seit 1995 im Internet präsent sei. Dass die Klägerin nunmehr die Freigabe der Domain verlange, verstoße gegen Treu und Glauben. Die Klägerin habe vielmehr über die Domain "www.deutschland.de" hinreichend Möglichkeit, sich im Internet darzustellen.

Insgesamt sei die Vorschrift des § 12 BGB nicht geeignet, über die Zuordnung der insofern knappen, weil jeweils nur ein Mal zu vergebenden Ressource "lnternet-Domain" zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 12 Satz 2 i.V.m. 1004 BGB verlangen, die weitere Benutzung der Adresse "http://deutschland.de" zu unter- lassen und die Adresse freizugeben.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin durch den Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ordnungsgemäß vertreten. Denn Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit und der Selbstdarstellung der Klägerin, zu denen die Einrichtung eines staatlichen Internet- Portals gehört, können von der Bundesregierung wahrgenommen werden. Gemäß Art. 65 GG i.V.m. § 1 GO BReg bestimmt nämlich der Bundeskanzler als Mitglied der Bundesregierung die Richtlinien der inneren und äußeren Politik. Insofern kommt ihm auch die Funktion der inneren und äußeren Repräsentation der Klägerin zu. Die Kompetenz des Bundespräsidenten ist gemäß Art. 59 GG hingegen auf die formelle Seite der Vertretung der Klägerin im Völkerrechtsverkehr beschränkt (Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl., Rn 663). Ob es dem Bundespräsidenten daher verwehrt ist, ein Internet-Portal der Klägerin aufzubauen, kann dahinstehen. Jedenfalls liegt es auch und zuvorderst in der Zuständigkeit der Bundesregierung, die Klägerin nach außen - und daher auch durch Einrichtung eines Inter- net-Portals ihrer Verfassungsorgane - zu repräsentieren.

2. Die Klage ist auch begründet. Denn die Benutzung der Domain "http://deutschland.de" verletzt das Namensrecht der Klägerin.

Der Namensschutz des § 12 BGB gilt, obwohl im Titel über natürliche Personen festgeschrieben, auch für die Klägerin als juristischer Person des öffentlichen Rechts (zum Namensrecht juristischer Personen s. Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl., § 12, Rn 9).

Weiter ist auch der Domain-Name nach § 12 BGB schutzfähig. Zwar kennzeichnen Domains einen bestimmten, mit dem Internet verbundenen Rechner und sind - ähnlich wie Telefonnummern - frei wählbar. Ihnen deshalb den Namensschutz zu versagen (so insbesondere LG Köln, NJW-RR 1998, 976; LG München I, NJW-RR 1998, 978), wäre aber deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Internet-Adresse gleichzeitig den Inhaber des Rechners identifizierbar macht und somit auch die Funktion des Namens im Sinne des § 12 BGB erfüllt (für die Schutzfähigkeit von Inter- net-Domains nach § 12 BGB daher KG NJW 1997, 3321, 3322; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 909, 910; LG Lüneburg, GRUR 1997, 470, 471; Palandt/Heinrichs, aaO, Rn 10).

Die Beklagte hat durch die Verwendung der genannten Internet-Adresse auch vom Namen der Klägerin Gebrauch gemacht. Prägender Namensbestandteil ist nämlich "Deutschland". Die Klägerin kann sich somit auch dann auf ihr Namensrecht berufen, wenn ein Dritter diesen ohne die zusätzliche Bezeichnung "Bundesrepublik" verwendet. Die republikanische Staatsform des Bundes gehört gemäß Art. 20 Abs. 1 GG zwar zur verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes, die das Wesen unseres Staates wesentlich mitgestaltet. Entscheidend dafür, ob ein nach § 12 BGB schützenswerter Name vorliegt, ist aber nicht, ob der Begriff für die Daseins- oder Rechtsform der Person Bedeutung hat. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die sprachliche Kennzeichnung die (juristische oder natürliche) Person ausreichend von anderen unterscheidet. Der Name ist somit Ausdruck der Individualität und dient zugleich der Identifikation des Namensträgers; schutzfähig sind dabei auch Abkürzungen und Schlagworte (BGHZ 15, 107, 109; Palandt, aaO, Rnn 1 und 10) oder unterscheidungskräftige Bestandteile des Namens (Palandt, aaO, Rn 24). Die Klägerin ist bereits durch die Bezeichnung "Deutschland" ausreichend identifiziert. Dass sich hinter "Deutschland" die Klägerin verbirgt, ist nämlich auch eindeutig, wenn nicht "Bundesrepublik" hinzugefügt wird. Andersherum genügt "Bundesrepublik" - ungeachtet der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Bezeichnung - allein nicht, um die Klägerin zu identifizieren. Unter namensrechtlichem Aspekt bedeutet "Bundesrepublik" daher nicht mehr als "AG" oder "GmbH".

Die Verwendung der Domain "http://deutschland.de" durch die Beklagte geschieht auch unbefugt. Die Beklagte ist nämlich weder selbst Trägerin dieses Namens, noch steht ihr eine gesetzliche oder durch Gestattung eingeräumte Befugnis zu.

Schließlich verletzt der unbefugte Namensgebrauch durch die Beklagte auch die Interessen der Klägerin. Eine solche lnteressenverletzung ist dann anzunehmen, wenn die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung begründet wird (Palandt/Heinrichs, aaO, Rn 20). Eine derartige Zuordnungsverwirrung ist hier zu bejahen:

Die Beklagte nutzt die genannte Domain nämlich nicht geografisch-beschreibend, sondern namensmäßig. Eine beschreibende Nutzung hätte etwa dann vorgelegen, wenn die Beklagte das Adjektiv "deutsch" oder ergänzende Angaben wie "hotels-in-deutschland" verwandt hätte. "Deutschland" beschreibt Deutschland aber nicht, sondern stellt Deutschland selbst dar. "Deutschland" sagt also nichts über die namensmäßige Kennzeichung Hinausgehendes aus. Da- her ist eine geografisch-beschreibende Verwendung von "Deutschland" im Internet auch gar nicht möglich. Anders als beispielsweise bei einem Bildband, der sich insbesondere durch Umschlagmotiv und Verfasserbezeichnung als solcher zu erkennen gibt, kann die Bedeutung einer Angabe im Internet nämlich allein durch deren reinen Wortsinn erschlossen werden. "Deutschland" ist - ohne erklärende Zusätze verwendet - aber ein Name, der der Klägerin zusteht.

Aus diesem Grunde ist die Verwechselungsgefahr auch schon deshalb zu bejahen, weil ein nicht unerheblicher Teil der Internet-Nutzer die streitgegenständliche Domain mit der Klägerin als Namensträgerin in Verbindung bringen wird. Dass Benutzer hinter der Domain "deutschland.de" eventuell auch geografische oder für Touristen gedachte Informationen vermuten, ändert nichts daran, dass angesichts der isolierten Verwendung des Begriffs wiederum die Klägerin als Urheberin dieser Informationen nahe liegt. Diese Erwartungshaltung besteht auch dann, wenn der Zusatz "de" und nicht - ohnehin primär im anglo-amerikanischen Raum geläufige - Zusätze wie "gov" oder "admin" verwendet werden. Üben die erforderliche Sachkunde verfügt die Kammer schon deshalb, weil zwei ihrer Mitglieder Internet-Nutzer sind.

Dass es Privatpersonen mit dem Namen "Deutschland" gibt und dass allgemein Internet-Domains vielfach - wie im Fall "buecher.de" - aufgrund der Identität von Sachbezeichung und Name gleichzeitig auch diesen benutzen, ist hier unerheblich: Die Beklagte heißt jedenfalls nicht "Deutschland" und kann somit auch keine Rechte aus einer Gleichnamigkeit herleiten. Aus diesem Grunde muss sich die Klägerin auch nicht auf eventuelle Ausweichmöglichkeiten verweisen lassen.

Auch kann sich die Beklagte hier nicht auf die dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Institute wie Bestandsschutz oder Verwirkung berufen. Die Beklagte mag tatsächlich im Jahre 1995 arglos die Zuteilung der Domain "http://deutschland.de" beantragt und allein im Sinn gehabt haben, diese griffige Adresse für die Einrichtung eines Hotelsuchdienstes zu nutzen. Auch wenn der Beklagten nicht der Vorwurf des "Domain-Grabbings" zu machen ist, so hätte ihn doch klar sein müssen, dass diese Domain - eben auf Grund ihrer Griffigkeit und damit verbundenen Attraktivität - eines Tages von der Klägerin als Namensträgerin beansprucht wenden könnte. Ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, diese Domain behalten zu dürfen, konnte die Beklagte daher nicht entwickeln.

Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war zurückzuweisen, da hier jedenfalls das Inter- esse der Gläubigerin an einer umgehenden Beendigung der Verletzung ihres Namensrechtes überwiegt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.









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