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Landgericht Köln Urteil vom 07.07.2010 - Az.: 28 O 721/09 - Zum Urheberrechts an anwaltlichen Schriftsätzen

LG Köln v. 07.07.2010: Zum Urheberrechts an anwaltlichen Schriftsätzen


Das Landgericht Köln (Urteil vom 07.07.2010 - Az.: 28 O 721/09) hat entschieden:

   Verbindet das Gericht eine Entscheidung mit dem darauf zielenden Antragsschriftsatz des Rechtsanwalts, um sich eine eigene Begründung zu ersparen, dann nimmt auch der Schriftsatz am amtlichen Charakter der Entscheidung teil und darf von jedermann im Internet veröffentlicht werden. Es liegt dann weder eines Verletzung des Urheberrechts noch des Persönlichkeitsrechts des Rechtsanwalts vor.




Siehe auch
Anwaltsschriftsätze / Anwaltsschreiben - Zitierfreiheit und Urheberrechtsschutz
und
Stichwörter zum Thema Urheberrecht und Urheberschutz


Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Anwaltsschriftsatzes auf der Internetseite des Beklagten.

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Berlin, der Beklagte betreibt im Internet die Domain www.buskeismus-lexikon.de laut deren Impressum er auch Inhaltsverantwortlicher dieser Seite ist. Auf dieser Seite veröffentlicht er Beiträge zu Gerichtsverfahren.

In einem Beitrag des Beklagten über die Verhandlung betreffend den Widerspruch gegen eine zuvor gegen ihn selbst erlassene einstweilige Verfügung am 11.August 2009 vor der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vertrat der Kläger den dortigen Antragsteller; er hatte zuvor die einstweilige Verfügung aufgrund der Antragsschrift vom 07.05.2009 (Anlage K 3, BI. 22 ff. dA) erwirkt. In dem Beschluss vom selben Tag führte das Landgericht Berlin unter "Gründe" aus: "Die einstweilige Verfügung war aus den Gründen der verbundenen Antragsschrift nebst Anlagen zu erlassen" (Anlage K 4, BI. 26 ff.).




Unter der Überschrift "27 0 504/09 - 11.08.2009 - Seminarleiter, Buchautor und Börsencoach besteht auf Zensur" beschrieb er zunächst den Gang des Verfahrens, unter "Korpus Delicti" ging er auf die einstweilige Verfügung ein. Hier folgte (auszugsweise) folgender Text:

   [...]

Mit der vorliegenden Klage, der ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorangegangen war, wendet sich der Kläger gegen die Veröffentlichung des Antragsschriftsatzes vom 07.05.2009. Er macht geltend, hierin liege sowohl eine Urheberrechts- als auch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Zum einen handele es sich bei der Antragsschrift um ein Sprachwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG, das zu seinen Gunsten ungeachtet des Umstandes geschützt sei. dass das Gericht-, wie in Berlin üblich - dem Beschluss die Antragsschrift beigefügt und diese hiermit fest verbunden habe, Dies bewirke nicht, dass die Antragsschrift im Sinne von § 5 UrhG als Teil der Entscheidung anzusehen sei; der Beschluss selbst umfasse nur die ersten beiden Seiten. Es käme hinzu, dass der Beklagte den Beschluss nicht 1 : 1 veröffentlicht, sondern mit folgendem eigenständigen, im Beschluss nicht vorkommenden Text versehen habe: "Durch die streitgegenständliche einstweilige Verfügung wird dem Antragsgegner untersagt". Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagte den Beschluss nicht vollständig wiedergegeben habe: so fehlten die Kostenentscheidung und die Namen der Richter. Auch die Einfügung "Verbundenen Antragsschrift" finde sich im Beschluss des Berliner Gerichts nicht. Da § 5 UrhG als Schrankenbestimmung eng auszulegen sei und die Antragsschrift keinen regelnden Inhalt habe, sei die Antragsschrift nicht als Teil der Entscheidung anzusehen. Dies werde auch dadurch deutlich, dass das Landgericht Berlin - die 27. Zivilkammer - nunmehr dazu übergegangen sei, einer Beschlussverfügung die Antragsschrift mit den Worten beizufügen: "Das glaubhaft gemachte tatsächliche und rechtliche Vorbringen in der verbundenen Antragsschrift nebst Anlagen rechtfertigen den geltendgemachten Unterlassungsanspruch." Schließlich gestehe auch der Beklagte zu, dass die Antragsschrift lediglich zum Zwecke der Zustellung mit der gerichtlichen Entscheidung verbunden werde, die er ohne Anlagen erhalten habe.

Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfülle die von dem Kläger verfasste Antragsschrift die an ein urheberrechtsschutzfähiges Werk zu stellenden Anforderungen, Er habe den Streitgegenstand zusammenfassen und das Material und die Veröffentlichung in verständlicher Weise darstellen müssen, dabei habe er hinreichenden Gestaltungsspielraum gehabt.

Darüber hinaus liege in der Veröffentlichung der Antragsschrift auch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil der Kläger hierdurch gegenüber seinem Mandanten gleichsam "ins Feld geführt" werde. Er werde auch in seinem Berufsausübungsrecht verletzt. Zudem habe er für seinen Mandanten durchgesetzt, dass über den Vergleich nicht berichtet werden durfte. Durch das Verhalten des Beklagten werde das dem Kläger übertragene Mandat konterkariert. Als Interessenvertreter müsse der Anwalt deutliche Worte finden; müsste er mit der Veröffentlichung seiner Schriftsätze rechnen, bestünde die Gefahr, dass er anders formulieren müsse.

Der Kläger beantragt,

   dem Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EURO, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Beklagten, zu untersagen,

   die Antragsschrift des Klägers in dem Verfahren LG Berlin 27 0 504/09 vom 7. Mai 2009 zu vervielfältigen und/oder im Internet öffentlich zugänglich zu machen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wie unter www.buskeismus-lexikon.de geschehen.



Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Er beruft sich darauf, nicht die Antragsschrift, sondern die gerichtliche Entscheidung veröffentlicht zu haben. Das Gericht habe durch die auch körperliche Verbindung die Antragsschrift zu einem Teil des Beschlusses gemacht und in dieser Form offiziell und gesiegelt zugestellt. Er behauptet, er lasse sich vergleichbare Entscheidungen von der Pressestelle in Berlin kommen und habe bei allen einstweiligen Verfügungen dabei auch die Antragsschrift erhalten. Der Beklagte macht geltend, durch die Kürzung im Rahmen der Veröffentlichung sei dieser auch nicht der Charakter als Urteilsveröffentlichung genommen worden.

Aber auch dann, wenn der Schriftsatz nicht als Teil der amtlichen Entscheidung zu bewerten sei, bestehe kein Urheberrechtsschutz. Der Schriftsatz hebe sich vom Alltäglichen nicht deutlich genug ab und erreiche nicht die vom BGH an die Schutzfähigkeit von Anwaltsschriftsätzen gestellten Anforderungen. Der Schriftsatz erschöpfe sich zudem weitgehend in Textbausteinen, welche auch sonst in Schriftsätzen den Kanzlei ..., in der der Kläger - unstreitig - früher tätig gewesen sei, zu finden seien. Er behauptet, aufgrund der Textbausteine sei der Schriftsatz unter Hinzufügung lediglich einiger kurzer individueller Angaben von einer Schreibkraft des Klägers hergestellt worden.

Zudem sei der Kläger weder in seinem Persönlichkeits- noch in seinem Berufsausübungsrecht verletzt; schließlich handele es sich nicht um eine der Privatsphäre zuzuordnende Angelegenheit des Mandanten des Klägers, sondern gegen diesen sei als "Börsenexperte" mittlerweile Anklage wegen Insider-Handels erhoben worden, wobei der Schaden bis in den 3-stelligen Millionenbereich gehe. Dies sei eindeutig der Sozialsphäre zuzuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus urheberrechtlichen noch aus persönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu. Ungeachtet der weiteren Rechtsfrage, ob die Antragsschrift die Anforderungen erfüllt, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Anwaltsschriftsatz" (GRUR 1986, 739 ff.) an die Urheberrechtsschutzfähigkeit derartiger Schriftstücke aufgestellt hat, ist davon auszugehen, dass durch die konkrete Gestaltung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin der Antragsschriftsatz Teil dieser Entscheidung geworden ist, so dass er im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eben jener Entscheidung - wie geschehen - als deren Teil anzusehen ist. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist hierdurch ebenso wenig erfolgt wie ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung. Der Schriftsatz entstammt nicht seiner Privatsphäre, auch entsteht nicht der Eindruck, die Veröffentlichung der Antragsschrift sei dem Kläger zuzurechnen. Eine Stigmatisierung oder Prangerwirkung ist nicht gegeben. Im Einzelnen gilt folgendes:

I.

Der streitgegenständliche Antragsschriftsatz ist hiernach als Teil der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin anzusehen, nachdem darin unter "Gründe" ausdrücklich diejenigen der verbundenen Antragsschrift in Bezug genommen worden sind und eine feste Verbindung hergestellt worden ist. In dieser Weise ist er dann im Parteibetrieb entsprechend §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO, an den Beklagten zugestellt worden. Auf die Frage, wie der zuständige Pressesprecher der Berliner Justiz grundsätzlich einstweilige Verfügungen interessierten Dritten bekannt gibt - also in vergleichbaren Fällen mit oder ohne Antragsschrift - kommt es dann für die Entscheidung über die Inkorporierung in den Beschluss im vorliegenden Fall nicht mehr an.

Amtliche Werke sind, auch sofern sie den Anforderungen an die Schöpfungshöhe gemäß § 2 Abs. 2 UrhG genügen, nach § 5 UrhG vom Urheberrechtsschutz ausgenommen; die § 5 UrhG unterfallenden Werke können vielmehr von jedermann frei genutzt werden (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 5, Rn. 1). Allerdings ist die Bestimmung als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (BGH GRUR 2006, 848 - Topographische Landeskarten). Ein amtliches Werk kann dann vorliegen, wenn ein Amt oder eine Behörde ein privates Werk ohne Einverständnis des Urhebers zu einem amtlichen Werk werden lässt (Schricker-Katzenberger, Urheberrecht, § 5 Rn. 22). Die Frage, ob derartige Bezugnahmen, z.B. in amtlichen Bekanntmachungen und Erlassen zu einem Ausschluss der Urheberrechtsschutzfähigkeit des Werkes führen, auf das verwiesen wird, lässt sich jedoch nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten. Es müssen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, das in Bezug genommene Werk der Behörde, die darauf verweist, in einer zur Urheberrechtsfreistellung führenden Weise zuzurechnen (BGH GRUR 1984, 117, 118 f. - VOB/C).



Unzweifelhaft handelt es sich bei der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 07.05.2009 um eine "Entscheidung" im Sinne von § 5 UrhG. Auch wenn eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung, die bei der Zustellung im Parteibetrieb den Antragsgegner erst in diesem Zeitpunkt erreicht und ihm dann auch erst zur Kenntnis gelangt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese unter den Begriff "Entscheidung" fallen. Das Ziel der gesetzlichen Regelung, dass die Gemeinfreiheit die allgemeine Kenntnisnahme der amtlichen Werke ermöglichen soll, ist im Gesetz nur für die anderen amtlichen Werke ausdrücklich genannt (§ 5 Abs. 2 UrhG), während (gerichtliche) Entscheidungen und die hierzu amtlich verfassten Leitsätze in § 5 Abs. 1 UrhG gleich den Gesetzen, Verordnungen oder amtlichen Erlassen vom urheberrechtlichen Schutz ausgenommen sind. Dass die Entscheidung im Beschlussverfahren ohne vorherige Anhörung des Verfahrensgegners - hier des Beklagten - erfolgte, ändert hieran auch nichts. Selbst in seiner Rechtsprechung zu § 839 BGB hat der Bundesgerichtshof (NJW 2005, 436, 437) auf diese Weise erlassene einstweilige Verfügungen und Arreste den Urteilen im Sinne der genannten Vorschrift gleichgestellt und dazu ausgeführt:

   „Bei Arresten und einstweiligen Verfügungen ist es nicht mehr gerechtfertigt, einen Unterschied zu machen, je nachdem, ob diese Maßnahmen durch Beschluss oder durch Urteil angeordnet sind. Allerdings beendet ein Beschluss die Instanz insofern nicht, als auf Widerspruch des Betroffenen das Verfahren in der Instanz seinen Fortgang nimmt. Aber auch ein Versäumnisurteil - anerkanntermaßen ein Urteil i.S. des § 839 Abs. 2 BGB - ist insoweit nicht instanzbeendend, als der (freilich im Gegensatz zum Widerspruch fristgebundene) Einspruch zur Weiterführung des Verfahrens in der Instanz führt. Andererseits unterliegt auch ein (anordnendes oder bestätigendes) Urteil im Arrest- oder Verfügungsverfahren im weit stärkeren Maße als andere Urteile der Abänderung (§§ 927, 936 ZPO). Berücksichtigt man, dass in der Rechtswirklichkeit - beispielsweise bei Unterlassungsbegehren in Wettbewerbssachen - in weitestem Umfang die prozessuale Durchsetzung nur im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgt und der Verfügungsgegner in einem großen Teil der Fälle widerspruchslos die durch Beschluss angeordnete einstweilige Verfügung hinnimmt, diese alsdann tatsächlich streitbeendigende Bedeutung hat, so muss dies die Konsequenz haben, auch der einstweiligen Verfügung in Beschlussform urteilsvertretende Bedeutung beizumessen (vgl. Staudinger/Wurm, § 839 Rdnr. 336). Dies gilt nach beiden Richtungen, also sowohl für den eine einstweilige Verfügung anordnenden als auch für den den diesbezüglichen Antrag zurückweisenden Beschluss.“

Unproblematisch ist ein Anwaltsschriftsatz auch als Bestandteil der Akte weiterhin bei Vorliegen der Voraussetzungen urheberrechtlich geschützt, da nur die Entscheidung selbst, nicht jedoch die Akte mit ihrem gesamten Inhalt als gemeinfreies amtliches Werk zu beurteilen ist (BGH GRUR 1986, 739 - Anwaltsschriftsatz). Urheberrechtlich frei ist bei gerichtlichen Entscheidungen jedenfalls der gesamte Entscheidungstext einschließlich der Begründung (Schricker-Katzenberger, a.a.O., Rn. 32). Vor diesem Hintergrund war allein entscheidungserheblich, ob der streitgegenständliche Anwaltsschriftsatz durch die gerichtliche Handhabung ein Teil der Begründung der einstweiligen Verfügung geworden ist. Dies ist anzunehmen. Dabei führt, wie dargelegt, nicht jede Bezugnahme in einem unter § 5 UrhG fallenden Werk auf private Werke dazu, dass das private Werk ebenfalls gemeinfrei wird. Vielmehr müssen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, das in Bezug genommene Werk der Behörde, die darauf verweist, in einer zur Urheberrechtsfreistellung führenden Weise zuzurechnen (BGH GRUR 1984, 117, 118 f. - VOB/C). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Verweisende in seiner Verlautbarung den in Bezug genommenen Teil in irgendeiner Weise inhaltlich zu eigen machen will, so dass dieser zur eigenen Willensäußerung der Behörde - hier des Gerichts - wird und damit zum Inhalt der hoheitlichen Erklärung gehört (BGH NJW-RR 1990, 1452 - DIN-Normen). Die Grundsätze, die der BGH in Bezug auf die Inkorporierung von DIN-Normen in Landesbauordnungen zur Bestimmung der Frage, ob die privaten Werke vom Ausschluss des Urheberrechtsschutzes nach § 5 Abs. 1 UrhG erfasst werden, angewandt hat, gelten vorliegend in gleicher Weise. Der BGH hat in der vorstehend zitierten Entscheidung ausgeführt:

   „Der von der Revision und teilweise auch im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Katzenberger, in: Schricker, UrheberR, 19B7, § 5 UrhG, Rdnr. 26; Katzenberger, DIN-Mitt. 1985, 279 (291 ff): auch Debelius, in: Festschr. f. Hubmann, 1985, S. 41 (52 f.), die Einführung von DIN-Normen sei dem Amt nur dann als eigene Erklarung zuzurechnen, wenn die technischen Normen in den Wortlaut der amtlichen Verlautbarungen selbst aufgenommen seien und auf sie nicht nur durch Hinweis auf einen Abdruck im Anhang oder auf eine andere FundsteIle verwiesen werde, kann nicht beigetreten werden .... Damit wird die Revision nicht hinreichend dem Umstand gerecht, dass es für die urheberrechtliche Beurteilung unerheblich ist, ob die Verweisung auf technische Normen in Verwaltungsvorschriften verfassungs- und verwaltungsrechtlich zulässig ist (vgl. BGH, NJW 19B4, 1621 - VOB/C). Im Übrigen ist es auch bei Rechtsnormen (Gesetzen und Verordnungen) aus Gründen gesetzestechnischer Zweckmäßigkeit nicht unüblich, auf privat geschaffene überbetriebliche Normen zu verweisen (vgl. z. B. § 35 h StVZO, § 7 BImSchG). Wie dort die in Bezug genommenen technischen Normen einen die Verweisungsnorm ergänzenden Rechtscharakter haben und damit nach § 5 Abs. 1 UrhG den Urheberrechtsschutz verlieren können (vgl. v. Ungern = Sternberg, GRUR 1977, 766, 771) m. w. Nachw.), so können auch Verweisungen auf die Normen in amtlichen Verlautbarungen, sofern sie - wie hier - im Blick auf die Konkretisierung baurechtlicher Generalklauseln einen rechtssatzähnlichen Charakter haben, eine normergänzende Bedeutung erlangen, die im Interesse der Zugänglichkeit für eine breite Öffentlichkeit einen völligen Ausschluss vom Urheberrechtsschutz nach § 5 Abs. 1 UrhG rechtfertigt.

Überdies ist die Art und Weise der äußeren Einbeziehung der DIN-Normen in eine amtliche Verlautbarung letztlich nur eine Frage verwaltungstechnischer Zweckmäßigkeit, und sie gibt allein noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber, ob die technischen Normen dem Amt in einer zur Urheberrechtsfreistellung führenden Weise zuzurechnen sind. Eine solche Zurechnung kommt - anders als die Revision meint - nicht nur bei der Inkorporation des Textes privater Normenwerke in Betracht, sondern auch in Fällen einer Bezugnahme, sofern dafür konkrete Umstände vorliegen (vgl. BGH, NJW 1984, 1621 - VOB/C).“

Die Zurechnung des Inhalts des Schriftsatzes des Klägers als eigenverantwortliche Willensäußerung eines Trägers hoheitlicher Gewalt - hier der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts Berlin - ergibt sich vorliegend zunächst daraus, dass auf die eigene Ausformulierung einer Begründung für die einstweilige Verfügung vom 07.06.2009 verzichtet wurde, statt dessen haben sich die Richter insoweit auf den Inhalt der Antragsschrift bezogen. Sie haben diese zu ihrer eigenen Begründung gemacht. Diese Annahme wird noch dadurch unterstützt, dass sie diese - damit auch von ihnen gegebenen - Gründe fest mit dem Beschluss verbunden haben, aus dem selbst nunmehr diese Gründe zu erkennen sind. Dass diese Verbindung - bezogen auf die Platzierung der Unterschriften - erst dahinter erfolgt, ist unschädlich, da die hier maßgebliche Bezugnahme im Text des Beschlusses selbst liegt. In der vorbezeichneten Entscheidung hat der BGH zu einer vergleichbaren Frage ausgeführt:

   „Sind Textwiedergabe und Verweisung danach gleich zu behandeln, so lassen sieh auch aus der Art, wie die DIN-Normen im Einzelfall in die amtliche Verlautbarung einbezogen worden sind, für die Frage der Zurechenbarkeit zum Amt keine Unterschiede herleiten; dies jedenfalls dann, wenn - wie hier - entweder auf einen Abdruck im Anhang oder auf eine allgemein zugängliche Fundstelle verwiesen wird.“

Diese Bewertung, dass in Bezug genommene Bestandteile einer Entscheidung auch deren Bestandteile sind, wird unterstützt, betrachtet man vergleichsweise die Rechtsprechung zur Frage des Erfordernisses der Zustellung der Antragsschrift zugleich mit der einstweiligen Verfügung. Nach der Rechtsprechung des OLG München ist eine Beifügung immer dann erforderlich wenn das erlassende Gericht in der Verfügung auf den Antrag Bezug genommen und ihn ausdrücklich zum Bestandteil seines Beschlusses gemacht hat (vgl. OLG München, NJW-RR 2003, 1722). Nach der Rechtsprechung des OLG Köln vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass jedenfalls Anlagen, die ausdrücklich im Tenor in Bezug genommen und dadurch zum integrierenden Bestandteil der Verfügung werden, vollständig mit zugestellt werden müssen, um die Vollziehungsfrist zu wahren (NJW-RR 1987, 575; GRUR 1995, 284; NJOZ 2004,2621,2622). Auch nach dem Verständnis der letztgenannten Rechtsprechung hätte jedoch eine derart ausdrückliche Bezugnahme in der - unter Berücksichtigung von § 922 Abs. 1 Satz 2 ZPO freiwillig gegebenen - Begründung zu einer Beschlussverfügung die notwendige Folge, dass die ausdrücklich in Bezug genommenen Anlagen eines Beschlusses als dessen Bestandteile anzusehen sind. Denn in diesen Fällen hat das Gericht eine Bewertung dahingehend getroffen, dass die in Bezug genommenen Anlagen in irgendeiner Weise zur eigenen Willensäußerung im Rahmen der getroffenen Entscheidung geworden sind. Dieser Sachverhalt ist völlig anders zu bewerten als die in § 313 Abs. 2 ZPO vorgesehene allgemeine Bezugnahme im Tatbestand eines Urteils, die ganz ersichtlich nicht dazu führen soll, dass die - nur pauschal genannten Aktenbestandteile (und damit letztlich die ganze Akte) Teil des Entscheidungstextes selbst werden sollen.




Diese Bewertung missachtet auch nicht die Interessen von Urhebern, die geschützte Werke schaffen, die durch Bezugnahme Bestandteil einer Entscheidung werden und damit nach § 5 Abs. 1 UrhG keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Denn werden private Werke in nach § 5 UrhG schutzlosen amtlichen Werken zitiert, und wird dabei das Zitat als solches kenntlich gemacht, so verlieren die zitierten Passagen nicht den urheberrechtlichen Schutz; sie dürfen von Dritten ohne Zustimmung des Urhebers nur wiederum als Zitate oder im Rahmen der sonstigen Schranken des Urheberrechts oder als Teil des zitierenden, nach § 5 UrhG schutzlosen amtlichen Werkes verwertet werden (Schricker-Katzenberger, a.a.O., Rn. 25).

Der Beklagte hat sich bei der Wiedergabe des Antragsschriftsatzes im Rahmen seiner Veröffentlichung auch im Rahmen der zulässigen Wiedergabe gehalten, denn er hat den Schriftsatz im Rahmen der Wiedergabe der gegen ihn erlassenen einstweiligen Verfügung ersichtlich als deren Bestandteil veröffentlicht, er hat sie also als Teil des zitierenden und nach § 5 Abs. 1 UrhG schutzlosen Werks verwertet. Dabei ist es unerheblich, dass er den Beschluss in Teilen nicht 1 : 1 veröffentlicht, sondern den Verbotstenor verkürzt und die Entscheidung ohne Kostenentscheidung und die Namen der beteiligten Richter wiedergegeben hat. Auch dass er - insoweit wohl erläuternd - durch die Wendung "Verbundenen Antragsschrift" gekennzeichnet hat, an welcher Stelle diese Wiedergabe beginnt, ist im Zusammenhang mit der auszugsweisen Wiedergabe der Gerichtsentscheidung ohne Belang.


II.

Durch die Veröffentlichung des Anwaltsschriftsatzes im Rahmen der Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung ist auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers erfolgt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er werde in diesem Zusammenhang "ins Feld geführt" ist dies bereits im Ansatz deshalb problematisch, weil der Beklagte den Schriftsatz wie geschehen im Zusammenhang - wie unter I. ausgeführt - urheberrechtlich zulässig als Teil einer Gerichtsentscheidung wiedergab. Aber auch eine Art "Prangerwirkung" ist hierin nicht zu erkennen. Eine solche wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl, BGH, GRUR 2007, 350), was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (vgl. BGH, GRUR 1994, 913 - Namensliste). Dabei kann die Anprangerung dazu führen, dass die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen ist. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG GRUR 2010, 544). Jedoch ist nach dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar, dass und in welcher Weise die Veröffentlichung ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es für die Annahme einer Anprangerung Voraussetzung ist. Auch entsteht im Zusammenhang mit der Schilderung des Verhandlungstermins vor dem Landgericht Berlin nicht der Eindruck, der Kläger sei - entgegen dem im Vorverfahren vereinbarten Schweigegebot - mit der Veröffentlichung seines Schriftsatzes einverstanden. Dass der Kläger vielmehr auf der Einhaltung von Vertraulichkeit bestand - und ersichtlich auch weiterhin besteht - folgt nicht zuletzt aus der Wiedergabe seiner mündlichen Äußerungen im Termin, die der Kläger inhaltlich nicht angegriffen hat. Hier verweist er wiederholt auf die vereinbarte Einhaltung der Vertraulichkeit, auf die er sich beruft.



Soweit sich der Kläger auf eine Verletzung seines Berufsausübungsrechts durch die Veröffentlichung beruft, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Zwar hat das Kammergericht in einer Entscheidung, auf die sich der Kläger beruft, ausgeführt, dieses könne bei einer Veröffentlichung aus einem anwaltlichen Schriftsatz dadurch geschehen, dass mittelbar in der Weise auf die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten Einfluss genommen werde, dass ein Rechtsanwalt, der befürchten müsse aus seinem anwaltlichen Schreiben werde öffentlich zitiert, sich unter Umständen hinsichtlich seiner Mittel und Möglichkeiten bei der Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten beschränken werde, etwa vorsichtiger formulieren oder Argumente zurückhalten werde. So könne dies auf Seiten des Rechtsanwalts zu einer Art "Selbstzensur" bei Auseinandersetzungen mit der Presse führen, was zu einer Beeinträchtigung der Rechte und Stellung eines Rechtsanwalts führen würde. Darüber hinaus sei es nicht von der Hand zu weisen, dass das Verhältnis zum Mandanten beeinträchtigt werden könnte, wenn ein Mandant, der einen Rechtsanwalt beauftragt, eine Berichterstattung abzuwenden, am nächsten Tag nicht nur die zu verhindernde Berichterstattung in der Presse veröffentlicht sieht, sondern im Rahmen dieser auch noch eine Stellungnahme seines Rechtsanwalts zu eben jenen Themen vorfinde, über die eine Berichterstattung gerade verhindert werden sollte (KG, NJW-RR 2007, 842, 843). Es mag dahingestellt bleiben, ob im Einzelfall im Fall einer Veröffentlichung in derartiger Weise in die Persönlichkeits- und Berufsrechte eines Rechtsanwalts eingegriffen wird, dass dies zum Verbot des Zitats aus einem anwaltlichen Schreiben führt; denn jedenfalls die vorliegende Konstellation gibt aus den dargelegten tatsächlichen Gründen keinen Anlass zu der Annahme, es bestehe die Gefahr einer Selbstzensur oder das Verhältnis des Klägers zu seinem Mandanten hätte beeinträchtigt sein können.


III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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