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Kammergericht Berlin Beschluss vom 15.04.2005 - 5 W 48/05 - Ein Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß dar
 

 

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KG Berlin v. 15.04.2005: Ein Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 VerpackV stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 15.04.2005 - 5 W 48/05) hat entschieden:
  1. Ein Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 VerpackV stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar.

  2. Ein Imbissstand ist gemäß § 3 Abs. 10 Satz 2 VerpackV regelmäßig als Endverbraucher anzusehen, der der Pfanderhebungspflicht nicht unterliegt.

  3. Ein etwaiger Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht beim Außer-Haus-Verkauf von Getränken durch einen Imbissstand ist regelmäßig nicht geeignet, im Sinne von § 3 UWG den Wettbewerb nicht unerheblich zu beeinträchtigen.




Siehe auch Marktverhaltensregeln und Stichwörter zum Thema Wettbewerb


Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller steht gegen den Antragsgegner der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Getränken in Einwegverpackungen ohne Erhebung von Pfand gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 der Verpackungsverordnung (VerpackV) nicht zu.

1. Der Antragsteller hat einen Verstoß des Antragsgegners gegen § 8 Abs. 1 VerpackV schon in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 VerpackV sind Vertreiber, die flüssige Lebensmittel in Getränkeverpackungen, die keine Mehrwegverpackungen sind, in Verkehr bringen, verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro (ab einem Füllvolumen von mehr als 1,5 Liter von mindestens 0,50 Euro) einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben. Die Verpflichtung gilt für alle Handelsstufen bis zur Abgabe an den Endverbraucher (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VerpackV). Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 10 Satz 1 und 2 VerpackV sind (private) Endverbraucher im Sinne dieser Verordnung auch Haushaltungen und vergleichbare Anfallstellen von Verpackungen, insbesondere Gaststätten, die über haushaltsübliche Sammelgefäße u.a. für Leichtverpackungen im haushaltsüblichen Abfuhrrhythmus entsorgt werden können.

Vorliegend legt die Bezeichnung des vom Antragsgegner betriebenen Unternehmens als „China-Imbiss“ die Annahme nahe, dass es sich um einen bloßen Imbissstand handelt, in dem Speisen auf Bestellung in kurzer Zeit zum sofortigen Verzehr oder zur Mitnahme zubereitet und dazu auch Getränke zum Verkauf angeboten werden. Es ist davon auszugehen, dass die dabei anfallenden Getränkeverpackungen noch über haushaltsübliche Sammelgefäße im haushaltsüblichen Abfuhrrhythmus entsorgt werden können. Gegenteiliges - etwa ein besonderer Umfang des Getränkeverkaufs - ist vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch nicht glaubhaft gemacht worden. Der vom Antragsgegner betriebene Imbiss ist demnach gemäß § 3 Abs. 10 Satz 2 VerpackV - vergleichbar einer Gaststätte - als Endverbraucher im Sinne der Verordnung anzusehen, der als solcher der Pfanderhebungspflicht nicht unterliegt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VerpackV).

2. Selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht ein Verstoß des Antragsgegners gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 VerpackV vorliegen sollte, ist jedenfalls ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG mangels Erheblichkeit des Verstoßes nicht gegeben.

a) Allerdings ist der Antragsteller nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG antragsbefugt. Er hat glaubhaft gemacht, dass er die Voraussetzungen des § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) erfüllt und in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Seine Antragsbefugnis ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (anders als nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 a.F.) nicht auf Wettbewerbsverstöße beschränkt, die wesentliche Belange der Verbraucher berühren, da die Verfolgung von Bagatellverstößen bereits durch § 3 UWG ausgeschlossen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 8 Rdn. 3.52).

b) Gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des Absatzes oder Bezugs eines Unternehmens dient; dazu gehören das Angebot und die Nachfrage von Waren (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O. § 4 Rdn. 11.34).

Zu der Bestimmung des § 8 Abs. 1 VerpackV hat der Senat in seinem noch zu § 1 UWG a.F. ergangenen Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 5 U 231/03 - ausgeführt:
„§ 8 Abs. 1 VerpackV dient der Wahrung der Lauterkeit des Wettbewerbs; ein Verstoß gegen diese Vorschrift stellt daher zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Denn § 8 Abs. 1 VerpackV ist zwar auf den Umweltschutz ausgerichtet. Sie wirkt sich aber nicht im “Vorfeld des Wettbewerbshandelns” aus (zu diesem Erfordernis BGH, GRUR 2000, 1076), sondern unmittelbar beim Absatz der Waren. Damit betrifft sie unmittelbar auch das Wettbewerbsverhalten der Mitbewerber, also ebenso den Schutz der Mitbewerber im Sinne gleicher Absatzbedingungen (Ullmann, GRUR 2003, 817, 822 unter Hinweis auf BGH, Beschluss zur Nichtannahme der Revision vom 10. 04. 2003, I ZR 258/02).“
An dieser Auffassung ist auch in Ansehung des § 4 Nr. 11 UWG n.F. festzuhalten. Denn aus dem primären Zweck der VerpackV, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die Umwelt zu vermeiden (vgl. § 1 Abs. 1 VerpackV), folgt notwendigerweise der weitere, das Verhalten der Hersteller und Vertreiber von Produkten in Verpackungen auf dem Markt zu regeln. Im Interesse der Marktteilnehmer, zu denen nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG auch die Verbraucher gehören, liegt es dann jedenfalls, die Einhaltung der VerpackV sicherzustellen. Ein Verstoß gegen sie kann daher unlauter im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG sein (vgl. zu Vorstehendem auch Harte/Henning/von Jagow, UWG, § 4 Rdn. 130f.; Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O. § 4 Rdn. 11.154 m.w.N.).

Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 (NVwZ 2005, 190ff.) haben nicht die Unwirksamkeit oder Unbeachtlichkeit der VerpackV zur Folge.

c) Es fehlt jedoch an der weiteren gesetzlichen Voraussetzung des § 3 UWG für die Geltendmachung eines Wettbewerbsverstoßes, nämlich dessen Eignung, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht unerheblich zu beeinträchtigen.

Bei der Prüfung, ob die beanstandete Wettbewerbshandlung zu einer nicht unerheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung geeignet ist, ist eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller vom Schutzzweck der Norm erfasster Umstände vorzunehmen (vgl. dazu im Einzelnen Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O. § 3 Rdn. 54ff. m.w.N.).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass es sich bei dem hier vorgetragenen Getränkeverkauf eines Imbissstandes um einen Bagatellfall handelt, der die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG nicht erreicht. Mangels anderweitigen Sachvortrags (unter Glaubhaftmachung) ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner - wie dargelegt - lediglich einen Imbissstand betreibt, wie er in Berlin überall anzutreffen ist, und der damit verbundene Getränkeverkauf keinen besonderen Umfang hat. Denn typischerweise werden Speisen und Getränke beim Imbissstand direkt vor Ort verzehrt. Außer-Haus-Verkäufe stellen sich deshalb als Ausnahmefall dar und beziehen sich zudem in aller Regel nicht auf die relativ teuren Getränke. Es kann weder von einer erheblichen Nachahmungsgefahr in Bezug auf Mitbewerber, noch von besonderer Anziehungskraft auf die Verbraucher ausgegangen werden, zumal der Kundenkreis örtlich begrenzt ist.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.









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