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Landgericht Frankfurt (Oder) Urteil vom 08.05.2003 - 32 O 43/03 - Zur unzulässigen Werbung einer Klinik mit Frühlingsrabatten auf Schönheitsoperationen

LG Frankfurt (Oder) v. 08.05.2003: Zur unzulässigen Werbung einer Klinik mit Frühlingsrabatten auf Schönheitsoperationen


Das Landgericht Frankfurt (Oder) (Urteil vom 08.05.2003 - 32 O 43/03) hat entschieden:
  1. Die Werbung mit einem Frühlingsrabatt auf kosmetische Operationen durch eine Schönheitsklinik ist nach § 7 HWG unzulässig. Auf die Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden dürfen nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 HWG keine Zuwendungen oder sonstige Werbegaben angeboten, angekündigt oder gewährt werden, es sei denn, es handelt sich um geringwertige Kleinigkeiten und handelsübliche Nebenleistungen.

  2. Botox ist ein verschreibungspflichtiges Präparat, für das nach § 10 HWG nur Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhändler werben dürfen. Einer Schönheitsklinik ist die Werbung mit Botox-Injektionen untersagt.

  3. Die Werbung mit der Extra-Korporalen-Stoßwellentherapie - „Schmerztherapie ESW” - verstößt gegen § 11 Abs. 1 Nr. 6 HWG. Außerhalb von Fachkreisen darf für Behandlungen nicht mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen geworben werden, soweit diese nicht in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind. Die Extra-Korporale-Stoßwellentherapie bzw, ihre Abkürzung ESW sind jedoch nicht so weit in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen, als dass der durchschnittlich interessierte und gebildete Verbraucher, der hier in der Werbung angesprochen wird, mit dem Begriff eine konkrete Vorstellung verbände.



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Tatbestand:

Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung unlauteren Wettbewerbs in Anspruch.

Die Verfügungsbeklagte betreibt ein „…”, Gesundheitszentrum, für das sie in Zeitungsanzeigen u.a. wie folgt wirbt:
[folgt ein Link zum Bild]
Der Verfügungskläger mahnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 2. April 2003 ab und beanstandete die Werbung mit Botox-Injektionen, Schmerztherapie ESW sowie die Gewährung von Rabatten auf Operationen und Behandlungen. Die Verfügungsbeklagte lehnte die Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung ab.

Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Gericht der Verfügungsbeklagten durch einstweilige Verfügung vom 25. April 2003 kostenpflichtig untersagt,
  1. für eine Faltenbehandlung mittels Botox-Injektionen zu werben und/oder

  2. mit Aktionen für medizinische Behandlungen zu werben, in deren Rahmen Ermäßigungen gewährt werden, insbesondere wie folgt:

    „Unser Frühlings-Angebot für Sie! Die langen, kalten, verschneiten Wintertagen gehen langsam zu Ende. Der Frühling erwacht. Wollen Sie nicht gerade jetzt frischer, vitaler und sogar jünger aussehen? Wir bieten Ihnen für die Monate März bis Mai 2003 eine Ermäßigung dafür an: Kommen Sie zu geplanten Operation oder Behandlung und erhalten Sie eine Ermäßigung von 10 %.

    Bringen Sie zur geplanten Operation noch zwei Freundinnen, Freunde, Bekannte, Verwandte … mit, die sich ebenfalls behandeln lassen, so erhalten Sie ein 20-prozentige Ermäßigung und Ihre beiden Begleitungen eine 15-prozentige Ermäßigung.”

    und/oder

  3. mit fremd- oder fachsprachlichen Begriffen wie „Schmerztherapie ESW” ohne nähere Erläuterung zu werben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrem Widerspruch, den sie im Bezug auf die Unterlassungsverfügung zu 1. auf die Kostenentscheidung beschränkt.

Der Verfügungskläger macht geltend, die Verfügungsbeklagte verstoße mit der beanstandeten Werbung gegen § 1 UWG. Sie biete in sittenwidriger Weise für ärztliche Leistungen Preisermäßigungen an wie für Saisonartikel. Für die „Schmerztherapie ESW” werbe sie entgegen dem Verbot aus § 11 Abs. 1 Nr. 6 Heilmittelwerbegesetz (HWG) mit fachsprachlichen Bezeichnungen. Die Werbung mit Botox verstoße gegen § 10 Abs. 1 HWG. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel – wie Botox – dürften nur die dort genannten Personen, wie Ärzte und Apotheker, werben.

Der Verfügungskläger beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 25. April 2003 aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Unterlassungsverfügung zu 2. und 3. aufzuheben, den Antrag insoweit zurückzuweisen und dem Verfügungskläger insgesamt – auch hinsichtlich der Unterlassungsverfügung zu 1. – die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Verfügungsbeklagte wendet ein, sie biete Rabatte auf eine gewerbliche Leistung an. Die ärztliche Leistung werde immer in gleicher Höhe abgegolten, sie verzichte bei den Rabatten lediglich auf einen Teil ihres Aufschlages. Zulässig sei auch die Werbung mit der Extra-Korporalen-Stoßwellentherapie – „Schmerztherapie EWS” –, die selbst in der Abkürzung allgemein bekannt sei und nicht erläutert werden müsse. Im Übrigen unterliege sie nicht dem ärztlichen Werbeverbot und die Unterlassungsverfügung verstoße gegen ihre in Artikel 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit.

Hinsichtlich des Verbots der Werbung mit Botox-Injektionen habe sie den Unterlassungsanspruch sogleich anerkannt. Vorgerichtlich habe sie sich auf eine Entscheidung des Landgerichts Ulm verlassen dürfen, das Werbung mit Botox für zulässig erachtet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung vom 25. April 2003 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Dies führt zur Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung.

Der Antrag des Verfügungsklägers ist zulässig. Der Verfügungskläger ist insbesondere auf Grund seiner Mitgliederstruktur nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt (vgl. Baumbach/Hefermehl, 21, Auflage, Einl. UWG, Rn. 36). Er ist gerichtsbekannt in der Lage, zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder Wettbewerbsverstöße zu verfolgen.

In der Sache kann der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten gemäß § 1 UWG die Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung verlangen:

Die angegriffene Werbung der Verfügungsbeklagten ist an dem Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) zu messen. Dieses Gesetz findet nach § 1 Abs. 1 HWG Anwendung auf die Werbung für Arzneimittel sowie Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschaden und krankhaften Beschwerden bei Menschen bezieht. Unter Krankheit ist dabei jede, also auch nur eine unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt werden kann, zu verstehen. Leiden sind langdauernde Krankheiten und nicht heilbare Störungen. Körperschäden sind angeborene oder erworbene, typischerweise nicht behebbare Veränderungen des Körpers (vgl. OLG München GRUR 2000, 91).

Die Verfügungsbeklagte wirbt danach bei der die Korrektur von Narben sowie der Behandlung von Arthrosen, Sportverletzungen, Tennis- und Golferellenbogen, Kalkschulter und Fersensporn in jedem Fall für Verfahren und Behandlung von Krankheiten und Körperschäden unabhängig davon, ob damit vorübergehende Störungen der normalen Beschaffenheit oder Veränderungen des Körpers behoben werden sollen.

Von einer gesundheits- bzw. krankheitsbezogenen Werbung ist aber auch auszugehen, soweit die Verfügungsbeklagte die Absaugung unerwünschter Fettpolster, chirurgische Veränderung der Brust, Bauchdeckenplastik und Magenballon gegen Übergewicht anbietet. Hierbei kann es sich sowohl um eine medizinisch indizierte Behandlung von Krankheiten und Leiden, aber auch um rein ästhetisch begründete Körpereingriffe („Schönheitsoperationen”) handeln. Abgesehen davon, dass die Übergänge fließend sind und oft nur schwer zu beurteilen ist, ab wann eine Abweichung von der normalen Beschaffenheit des Körpers vorliegt, fällt auch die medizinisch nicht indizierte Behandlung/Operation unter den Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes. Geschützt werden soll die Gesundheit des einzelnen und das Gesundheitsinteresse der Allgemeinheit vor Fehlentscheidungen durch eine unsachgemäßen Beeinflussung einer suggestiven oder marktschreierischen Werbung. Gesundheit und körperliche Unversehrtheit werden aber gleichermaßen bei medizinisch indizierten Eingriffen wie bei sogenannten Schönheitsoperationen beeinträchtigt. Der Zweckbestimmung entsprechend sind deshalb unter Körperschaden und Leiden deshalb sowohl objektive Abweichungen von der normalen körperlichen Beschaffenheit zu verstehen als auch lediglich subjektiv empfundene Abweichungen, die mit einem körperlichen Eingriff bzw. körperlich wirkende Verfahren behandelt/korrigiert werden sollen. Dass auch rein kosmetische Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit unter den Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes fallen, bestätigt der Verweis in § 1 Abs. 2 HWG auf § 4 und § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandsgesetzes (LMBG). Das Heilmittelwerbegesetz finden danach u.a. auch Anwendung auf kosmetische Mittel, die äußerlich am Menschen zur Beeinflussung des Aussehens angewendet werden, sowie auf Gegenstände, die zur Körperpflege bestimmt sind (vgl. BGH GRUR 2000, 154, 155). Wenn aber schon kosmetische Beeinflussungen des körperlichen Aussehens unter den Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes fallen, so muss dies um so mehr für medizinisch-chirurgische Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit gelten. Letztlich kann dies hier allerdings dahin gestellt bleiben, denn die Verfügungsbeklagte differenziert nicht zwischen einer objektiv begründeten medizinischen Behandlung und einem Körpereingriff aus rein ästhetischen Gründen, so dass die Werbung insgesamt dem Heilmittelwerbegesetz unterliegt.

Die Werbeverboten des Heilmittelwerbegesetzes gelten auch für die Verfügungsbeklagte. Das Heilmittelwerbegesetz richten sich nicht nur an Ärzte oder Arzneimittelhersteller, sondern an sämtliche Werbetreibenden (vgl. BGH GRUR 2001, 453, 455; Köhler/Piper a.a.O., Rn. 769; anders als das Werbeverbot aus dem ärztlichen Standesrecht in der von der Verfügungsbeklagten zitierten Entscheidung BVerfG NJW 2000, 2734), mithin auch die Verfügungsbeklagte.

Die streitgegenständliche Werbung der Verfügungsbeklagten verstößt gegen das Heilmittelwerbegesetz:

Die Werbung mit Rabatten auf medizinische Behandlungen ist nach § 7 HWG unzulässig. Auf die Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden dürfen nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 HWG keine Zuwendungen oder sonstige Werbegaben angeboten, angekündigt oder gewährt werden. Zweck der Bestimmung ist es, durch diese weitgehende Eindämmung der Wertreklame im medizinischen Bereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung in der Entscheidung über die Gesundheit zu begegnen. Diese Zielsetzung erfordert es, den Begriff der Wertgabe nicht eng, sondern im Sinne aller geldwerten Vergünstigungen zu fassen (vgl. BGH GRUR 1990, 1041, 1042) und z.B. Rabatte auf körperliche Behandlungen einzubeziehen. Eine der in § 7 Abs. 1 HWG erschöpfend (vgl. BGH GRUR 1990, 1041, 1042) geregelten Ausnahmen von diesem Grundsatz liegt nicht vor. In Betracht kommen allein die Ausnahmetatbestände aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HWG. Danach dürfen geringwertige Kleinigkeiten und handelsübliche Nebenleistungen, wie z.B. die Erstattung von Fahrtkosten, angeboten und gewährt werden. Die von der Beklagten angebotenen Rabatte sind jedoch weder von so geringem Wert, als dass sie die Entscheidung eines Interessenten nicht beeinflussen könnten, noch handelsübliche Nebenleistungen bei der körperlichen Behandlung.

Der Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz entfällt auch nicht dadurch, dass die Beklagte behauptet, sie gewähre die Preisnachlässe nur auf ihre gewerbliche Leistung, d.h. den Aufschlag, den sie für die Vermittlung der medizinischen Leistung beanspruche. Die Werbung der Verfügungsbeklagten differenziert aber gerade nicht zwischen Preisnachlässen einer unter das Heilmittelwerbegesetz fallenden ärztlichen Leistung und ihrer gewerblichen Vermittlung dieser Leistung, sondern verspricht Rabatte auf die Gesamtleistung an, so dass auch insoweit insgesamt von einem Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz auszugehen ist.

Die Werbung mit der Extra-Korporalen-Stoßwellentherapie – „Schmerztherapie ESW” – verstößt gegen § 11 Abs. 1 Nr. 6 HWG. Außerhalb von Fachkreisen darf für Behandlungen nicht mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen geworben werden, soweit diese nicht in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind. Damit soll eine unsachliche Beeinflussung des Publikums, die in der Heilmittelwerbung wegen ihres Gesundheitsbezuges besondere Gefahren begründen kann, verhindert werden (vgl. BGH GRUR 2001, 453, 455). Die angesprochenen Verbraucherkreise sollen wissen, welche Art der Behandlung beworben und ihnen angeboten wird. Der Sammelbegriff „Schmerztherapie” dürfte allgemein bekannt sein.

Die Extra-Korporale-Stoßwellentherapie bzw, ihre Abkürzung ESW sind jedoch nicht so weit in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen, als dass der durchschnittlich interessierte und gebildete Verbraucher, der hier in der Werbung angesprochen wird, mit dem Begriff eine konkrete Vorstellung verbände. In den einschlägigen Wörterbüchern der deutschen Sprache ist der Begriff nicht aufgeführt und auch dem Gericht war er jedenfalls bis zu diesem Verfahren nicht bekannt.

In dem Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz liegt zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Verletzung einer dem Gesundheitsschutz dienenden und damit werthaltigen Norm ist regelmäßig, ohne dass es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsmerkmale bedarf, als sittenwidriger Verstoß im Sinne des § 1 UWG zu werten (vgl. BGH GRUR 2001, 453, 455; Köhler/Piper, 3. Auflage, § 1 ÜWG, Rn. 769).

Zugleich verstößt die Werbung der Verfügungsbeklagten als gefühlsbetonte Werbung unmittelbar gegen § 1 UWG. Von einer sittenwidrigen, gefühlsbetonten Werbung ist auszugehen, wenn Werbung an das Gefühl appelliert und unter Ausnutzung der Gefühle den umworbenen Kunden unsachlich in seiner Entschließungsfreiheit beeinflusst (vgl. Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 ÜWG; Rn. 185). Davon ist vorliegend auszugehen.

Die Verfügungsbeklagte wendet sich an eitle, mehr noch an selbstunsichere Menschen und versucht diese in unsachlicher Weise zu einer gesundheitsbezogenen Behandlung zu veranlassen. Sie werden emotional eingestimmt: „Die langen, kalten, verschneiten Wintertage gehen langsam zu Ende. Der Frühling erwacht.” und im erwachenden Frühling verspricht die Verfügungsbeklagte ein größeres Selbstbewußtsein durch ein frischeres, vitaleres und jüngeres Aussehen. Gleichzeitig spielt sie die mit jedem körperlichen Eingriff einhergehende Gesundheitsgefahr herunter, verdrängt diese. Die Operation wird zum gesellschaftlichen Ereignis zusammen mit Freunden: „Bringen Sie zu geplanten Behandlung oder Operation noch zwei Freundinnen, Freunde, Bekannte, Verwandte … mit”. In ihrer Entschließungsfreiheit sind die Interessenten zeitlich bedrängt. Das Angebot der Verfügungsbeklagten erfordert eine rasche Entscheidung. Volle Rabatte erhält nur, wer bis Ende Mai noch zwei weitere Personen zu einer Behandlung/Operation veranlasst. Auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung oder die mit ihr einhergehenden Gefahren kommt es nicht mehr an. Die Gesundheit wird gleich einem Saisonartikel kommerzialisiert, rabattiert und unterliegt nur noch dem Gewinnstreben.

Die Handlungen der Verfügungsbeklagten sind geeignet, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Die Spürbarkeitsschwelle ist bei speziell geregelten Verboten in der Gesundheitswerbung in der Regel überschritten (vgl. OLG München GRUR 2000, 91). Ohne die Unterlassungsverfügung erlangte die Verfügungsbeklagte einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern und die zum Schutz der Gesundheit aufgestellten Werbeverbote könnten nicht mehr durchgesetzt werden.

Das ausgesprochene Werbeverbot greift nicht in unzulässiger Weise in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Verfügungsbeklagten ein. Die Berufsausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zum Schutze des Gemeinwohl einschränkend geregelt werden. Ein solches Gesetz ist sowohl das Heilmittelwerbegesetz als auch das UWG. Das Gericht hat im Einzelfall unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit im Verhältnis zur Sicherung der Gesundheit die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenen Handlungsformen zu ziehen (vgl. BVerfG NJW 2000, 2734). Diese Güterabwägung führt vorliegend zu dem ausgesprochenen Werbeverbot. Das Gewinnstreben der Verfügungsbeklagten im Rahmen ihrer Berufsausübung muss gegenüber einer unsachlichen Beeinflussung der angesprochenen Verbraucher in der Entscheidung über ihre körperliche Unversehrtheit zurücktreten. Der Schutz der Gesundheit hat in diesem Falle Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit der Verfügungsbeklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten hinsichtlich der Unterlassungsverfügung zu 1. - „Botox-Injektion” - zu tragen. Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten, insoweit beschränkt auf die Kostenentscheidung, ist zwar zulässig (vgl. zum Kostenwiderspruch Baumbach/Hefermehl, 22. Auflage, § 25 UWG, Rn. 73). Die Verfügungsbeklagte hat das Werbeverbot im gerichtlichen Verfahren auch sofort anerkannt im Sinne des § 93 ZPO. Sie hat jedoch Anlass zu dem Verfahren gegeben. Veranlassung zur Klageerhebung gibt der Beklagte immer dann, wenn es sich vor Prozessbeginn – unabhängig von Verschulden und materieller Rechtslage – gegenüber dem Kläger so verhält, dass dieser annehmen muss, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Zöller/Herget, 23. Auflage. § 93 ZPO, Rn. 3). So liegt der Fall hier. Der Verfügungskläger hat die Verfügungsbeklagte vorgerichtlich abgemahnt und darauf hingewiesen, dass es sich bei Botox um ein verschreibungspflichtiges Präparat handle, für das nach § 10 HWG nur Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhändler werben dürfen. Außerdem hat der Verfügungskläger dazu bereits ergangene Gerichtsentscheidungen aufgelistet, u.a. das Berufungsurteil zu dem von der Verfügungsbeklagten zitierten Urteil des LG Ulm. Ungeachtet dessen hat es die Verfügungsbeklagte ausdrücklich abgelehnt, die Unterlassungserklärung abzugeben, so dass der Verfügungskläger den Rechtsweg beschreiten mußte, um den Unterlassungsanspruch durchzusetzen.










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