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OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 17.11.2009 - 11 W 53/09 - Keine Verpflichtung des Providers zur Speicherung der Vorratsdaten "auf Zuruf"
 

 

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Auskunftsanspruch (IP) - Datenschutz - ISP - Internet Service Provider - IP-Adresse - Urheberrechtsschutz


OLG Frankfurt am Main v. 17.11.2009: Ein Rechtsinhaber, der einem Internet-Provider auf Auskunft gem § 101 UrhG in Anspruch nehmen will, kann von diesem nicht vorab verlangen, Verbindungsdaten auf Zuruf zu speichern.

Das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.11.2009 - 11 W 53/09) hat entschieden:
Ein Rechtsinhaber, der einem Internet-Provider auf Auskunft gem § 101 UrhG in Anspruch nehmen will, kann von diesem nicht vorab verlangen, Verbindungsdaten auf Zuruf zu speichern.




Gründe:

I.

Die Antragstellerin erstellt und vertreibt pornografische Filmwerke. Die Antragsgegnerin ist ein Accessprovider, der seinen Kunden u.a. den Zugang zum Internet vermittelt.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte der Filmwerke „…“ und „…“.

Die Antragstellerin hat dynamische IP-Adressen ermittelt, welche die Antragsgegnerin ihren Kunden zugeteilt hatte, unter denen diese Filmwerke zu bestimmten Zeitpunkten in Tauschbörsen online zum Download angeboten wurden.

Die Antragstellerin beabsichtigt zur Ermittlung der jeweiligen Verletzer von der Antragsgegnerin in dem nach § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG vorgesehenem Verfahren Auskunft darüber zu erhalten, welchen Anschlussinhabern die IP-Adressen jeweils während der zeitlich erfassten Verletzungshandlungen zugeordnet waren.

Die Antragsgegnerin hält die für die Erteilung solcher Bestandsdaten der Verbindungen erforderlichen Verkehrsdaten nicht vor, sondern löscht diese unmittelbar bei Beendigung einer Verbindung.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom11.6.2009 dazu auf, die für die Auskünfte erforderlichen Verkehrsdaten solcher Verbindungen, bezüglich derer die IP-Adressen der Antragsgegnerin während einer laufenden Verletzungssession von der Antragstellerin mitgeteilt werden, bis zum Abschluss eines Auskunftsverfahrens zu speichern. Mit Schreiben vom 14.7.2009 und 15.7.2009 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass derzeit über bestimmte genau bezeichnete IP-Adressen die Filmwerke widerrechtlich verfügbar gemacht würden und verlangte von der Antragsgegnerin, die zur Beauskunftung notwendigen Daten unverzüglich zu sichern.

Die Antragsgegnerin hat hierauf nicht reagiert.

Die Antragstellerin hat daraufhin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
zwei Tage ab Zustellung der einstweiligen Verfügung die zur Feststellung der Bestandsdaten bestimmter Kunden mitgeteilten Verkehrsdaten (IP-Adressen und Verbindungszeitpunkte) bis zum Abschluss eines Auskunftsverfahrens gemäß § 101 Abs. 2 UrhG bis zum 31.10.2009 – soweit es das Filmwerk „…“ betrifft – und bis zum 30.9.2009 – soweit es das Filmwerk „…“betrifft – zu löschen, wenn die Antragsgegnerin von der Antragstellerin während einer über die mitgeteilte IP-Adresse laufenden Session, im Rahmen derer eine Datei der Filmwerke „…“ und/oder „…“ öffentlich zugänglich gemacht wird, vor der Löschung der betreffenden Verkehrsdaten während der Öffnungszeiten der Antragsgegnerin in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr an sieben Tagen die Woche per E.Mail oder Fax an eine von der Antragsgegnerin der Antragstellerin verbindlich zu benennenden E.Mail- oder Faxadresse – unter Mitteilung der IP-Adresse davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Antragstellerin bezüglich dieser Verkehrsdaten zur Vorbereitung eines Auskunftsanspruchs gemäß § 101 Abs. 2 UrhG einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Auskunfts- und Sicherungsanordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG stellen wird.

Mit am 28.7.2009 zugestelltem Beschluss vom 21.7.2009 – auf den Bezug genommen wird – hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs, dessen Sicherung die einstweilige Verfügung dienen solle, könnten derzeit nicht festgestellt werden, da es um künftige Verletzungsfälle gehe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der am 11.08.2009 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tag, die sie mit Schriftsatz vom 17.8.2009 begründet hat.

Mit ihrem Hauptantrag verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Hilfsweise beantragt sie,
unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 21.07.2009 (Az.: 2/6 345/09) der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
zwei Tage ab Zustellung der einstweiligen Verfügung die zur Feststellung der Bestandsdaten bestimmter Kunden mitgeteilten Verkehrsdaten (IP-Adressen und Verbindungszeitpunkte) bis zum Abschluss eines Auskunftsverfahrens gemäß § 101 Abs. 2 UrhG bis zum 31.10.2009 – soweit es das Filmwerk „…“ betrifft – und bis zum 30.9.2009 – soweit es das Filmwerk „…“betrifft – zu löschen, wenn die Antragsgegnerin von der Antragstellerin während einer über die mitgeteilte IP-Adresse laufenden Session, im Rahmen derer eine Datei der Filmwerke „…“ und/oder „…“ öffentlich zugänglich gemacht wird, vor der Löschung der betreffenden Verkehrsdaten während der Öffnungszeiten der Antragsgegnerin in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr an sieben Tagen die Woche per E.Mail oder Fax an eine von der Antragsgegnerin de Antragstellerin verbindlich zu benennenden E.Mail oder Faxadresse – unter Mitteilung der IP-Adresse und entsprechender eidesstattlicher Versicherung über die Ermittlung dieser IP-Adresse davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Antragstellerin bezüglich dieser Verkehrsdaten zur Vorbereitung eines Auskunftsanspruchs gemäß § 101 Abs. 2 UrhG einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Auskunfts- und Sicherungsanordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG stellen wird.

Mit weiterem Schriftsatz vom 17.8.2009 (Bl. 82 f. d.A.) hat die Antragstellerin Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts erhoben. Sie meint, angemessen sei ein Streitwert von 10 000,00 €.

Das Landgericht hat durch Beschlüsse vom 19.8.2009 beiden Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 31.8.2009 weiter zur Begründung ihrer Beschwerde vorgetragen. Sie wiederholt insbesondere ihre Ansicht, die Antragsgegnerin sei zu der begehrten Datenspeicherung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung wie auch kraft eines gesetzlichen Schuldverhältnisses verpflichtet.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze verwiesen.


II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit der sie ihren Verfügungsantrag weiterverfolgt, ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden ( § 569 ZPO ).

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn es fehlt an einem Verfügungsanspruch.

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht verlangen, dass sie immer dann die Löschung bestimmter Verbindungsdaten mit der Beendigung einer Internetverbindung unterlässt, wenn sie von der Antragstellerin während einer über die mitgeteilte IP-Adresse laufenden Session, im Rahmen derer eine Datei der Filmwerke „…“ und/oder „…“ öffentlich zugänglich gemacht wird, vor der Löschung der betreffenden Verkehrsdaten unter Mitteilung der IP-Adresse und entsprechender eidesstattlicher Versicherung über die Ermittlung dieser IP-Adresse davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Antragstellerin bezüglich dieser Verkehrsdaten zur Vorbereitung eines Auskunftsanspruchs gemäß § 101 Abs. 2 UrhG einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Auskunfts- und Sicherungsanordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG stellen wird. (Speicherung auf Zuruf).

Für einen solchen Anspruch fehlt die Rechtsgrundlage.

§ 101 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 UrhG begründet keinen Anspruch auf Speicherung von Verkehrsdaten auf Zuruf. Die Vorschrift regelt einen Auskunftsanspruch, nicht jedoch einen Anspruch auf eine den Anspruch erst ermöglichende Speicherung. Die verfassungsrechtliche Privilegierung nach § 101 Abs. 10 UrhG gilt nur für den Auskunftsanspruch.

Ein Anspruch auf Speicherung von Verkehrsdaten auf Zuruf kann auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 101 UrhG gestützt werden, mit der Begründung, anderenfalls liefe der Auskunftsanspruch leer. Dem Gesetzgeber war nämlich bekannt, dass die zur Auskunft erforderlichen Informationen fehlen könnten, denn der Bundesrat hatte im Zusammenhang mit der Einführung der Vorratsdatenspeicherung auf diese Gefahr hingewiesen und sich für eine Berücksichtigung urheberrechtlicher Belange auch in § 113b TKG ausgesprochen (vgl. BR-Dr 798/1/07).

Zudem ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers die richterliche Gestattung der Auskunft über Verkehrsdaten Voraussetzung für den Auskunftsanspruch des Rechtsinhabers gegenüber dem Internet-Provider (vgl. BT-Drucks 16/5048, S. 63; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.12.2008, 20 W 130/08; K&R 2009, 122; Senat , Beschluss vom 12.5.2009 – Az.: 11 W 21/09 ). Vor Anordnung der Gestattung ist dabei zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs vorliegen. Abzuwägen ist, ob der Antragsteller Inhaber eines geistigen Schutzrechts ist, ob eine Verletzung dieses Rechts angenommen werden kann und ob die Schwere der Rechtsverletzung den Grundrechtseingriff rechtfertigt (vgl. BT-Drucks 16/5048, S. 36). Ohne die richterliche Gestattung der Auskunft über Verkehrsdaten ist der Internet-Provider zu einer Auskunft nicht verpflichtet. Erst die Gestattung bewirkt, dass die Antragsgegnerin nicht mehr sanktionslos die Daten löschen darf, da sie sich in diesem Fall nach §§ 280 Abs. 1, 281 BGB i.V.m. § 101 Abs. 2 UrhG schadensersatzpflichtig machen würde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008, 6 Wx 2/08, MMR 2008, 820; Senat , Beschluss vom 12.5.2009 – Az.: 11 W 21/09; Maaßen, MMR 2009, 511, 515). Eine Verpflichtung des Internet-Providers auf Vorrat Daten zu speichern, ohne dass bereits eine Auskunftsverpflichtung feststeht, lässt sich der gesetzlichen Regelung dagegen nicht entnehmen (ebenso Schulze zur Wiesche, Anm. zu LG Hamburg, Urteil vom 11.3.2009 – 308 O 75/09, MMR 2009, 570, 574). Schon deshalb kann entgegen der Ansicht der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht mit einer angeblichen Störerhaftung der Antragsgegnerin begründet werden.

Davon abgesehen wäre selbst eine Störerhaftung der Antragsgegnerin keine Grundlage für die von der Antragstellerin begehrte Regelung für eine ungewisse Zahl zukünftiger Fälle noch ungewisser Art. Denn dadurch würde allein durch den Zuruf der Antragstellerin eine Speicherungsverpflichtung begründet, ohne dass eine vorherige gerichtliche Prüfung des konkreten Einzelfalles im Gestattungsverfahren erfolgt wäre (ebenso Schulze zur Wiesche, Anm. zu LG Hamburg, Urteil vom 11.3.2009 – 308 O 75/09, MMR 2009, 570, 574).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.









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