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BGH Urteil vom 19.09.2007 - VIII ZR 141/06 - Keine wirksame Haftungsfreizeichnung, wenn Körper- und Gesundheitsschäden nicht ausgenommen werden

BGH v. 19.09.2007: Keine wirksame Haftungsfreizeichnung, wenn Körper- und Gesundheitsschäden nicht ausgenommen werden


Der BGH (Urteil vom 19.09.2007 - VIII ZR 141/06)hat entschieden:

  a.  Fällt eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (im Anschluss an BGHZ 90, 273, 278, zu § 11 AGBG).

  b.  Eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier: eines Gebrauchtwagenkaufvertrags), nach der die Haftung des Klauselverwenders auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, ist nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam.




Siehe auch Allgemeine Geschäftsbedingungen - AGB - bei Online-Verträgen und Wettbewerbsverstöße und Unzulässige AGB-Klauseln


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Klausel, nach welcher der Käufer das gebrauchte Fahrzeug „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ bestellt, verstößt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB. Nach diesen Bestimmungen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden (BGHZ 170, 31, Tz. 19). Diesen Beschränkungen trägt ein uneingeschränkter Haftungsausschluss in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wie dem vorliegenden nicht Rechnung (vgl. BGHZ 170, 67, Tz. 10).

b) Allerdings sind die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB hier nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei dem Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen Unternehmer handelt. Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, findet § 309 BGB keine Anwendung (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). Solche Geschäftsbedingungen unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, und zwar auch insoweit, als dies zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen führt, die in § 309 BGB aufgeführt sind; dabei ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Bestimmung, die dem früheren § 24 AGBG entspricht, bedeutet, dass bei der Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr die in den Klauselverboten zum Ausdruck kommenden Wertungen berücksichtigt werden sollen, soweit sie übertragbar sind (vgl. BGHZ 89, 363 ff. und 90, 273 ff. zu § 24 AGBG; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rdnr. 163, 381 ff.; MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., § 307 Rdnr. 72; MünchKommBGB/ Basedow, 5. Aufl., § 310 Rdnr. 7 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 444 Rdnr. 8; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB (2006), § 309 Nr. 7 Rdnr. 42). Insoweit hat sich die Rechtslage durch die Neuregelung in §§ 307 ff. BGB nicht geändert.




Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 11 AGBG (jetzt § 309 BGB) kommt den strikten Klauselverboten im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) Indizwirkung für die Unwirksamkeit der Klausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu (BGHZ 90, 273, 278; BGHZ 103, 316, 328). Daran hält der Senat fest. Fällt eine Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (vgl. BGHZ 90, 273, 278, zu § 11 AGBG; MünchKommBGB/Kieninger, aaO, zu § 307 BGB).

c) Nach dieser Maßgabe ist eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Haftung des Klauselverwenders – wie im vorliegenden Gebrauchtwagenkaufvertrag – auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam (§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB; Staudinger/Coester-Waltjen, aaO, m.w.N.).

aa) Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (Fuchs, aaO, Rdnr. 283 m.w.N. in Fn. 997). Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) ergibt sich nichts Anderes.



bb) Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGHZ 164, 11, 36; BGH, Urteil vom 15. September 2005 – I ZR 58/03, NJW-RR 2006, 267, Tz. 38). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Auch insoweit fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, hinsichtlich der Haftungsfolgen für grobes Verschulden danach zu differenzieren, ob von dem Verschulden des Vertragspartners ein Unternehmer oder ein Verbraucher betroffen ist. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden (Fuchs, aaO, Rdnr. 285 m.w.N. in Fn. 1000); inwieweit bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Haftungsbeschränkung zulässig ist (dazu Fuchs, aaO, Rdnr. 286), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der vorliegende Gebrauchtwagenkaufvertrag nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung, sondern einen umfassenden Haftungsausschluss enthält. ..."

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