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Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 30.10.2007 - 2-18 O 26/07 - Telekommunikationsunternehmen dürfen Gelegenheitskunden nicht ungefragt mit Werbeanrufen belästigen

LG Frankfurt am Main v. 30.10.2007: Telekommunikationsunternehmen dürfen Gelegenheitskunden nicht ungefragt mit Werbeanrufen belästigen


1 Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 30.10.2007 - 2-18 O 26/07) hat entschieden:

   Telekommunikationsunternehmen dürfen Gelegenheitskunden nicht ungefragt mit Werbeanrufen belästigen. Die gelegentliche Nutzung der Call-by-Call-Vorwahl eines Unternehmens begründet noch keine stetige Geschäftsbeziehung, die das Unternehmen als Berechtigung für Telefonwerbung interpretieren könnte.




Siehe auch Telefonwerbung und Einwilligungserklärung


Tatbestand:


Die Beklagte ist ein Unternehmen für Telekommunikationsdienstleistungen. Der Kläger, eine Verbraucherorganisation, die in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist, beanstandet unzulässige telefonische Werbung gegenüber einzelnen Verbrauchern im Auftrag und für Dienstleistungen der Beklagten.

Am 11.09.2006 erhielt der Zeuge Prof. C. unverlangt von einem Herrn A, dem Mitarbeiter eines Vertriebspartners der Beklagten, einen Anruf, mit dem im Auftrag der Beklagten für einen Wechsel des Zeugen von seinem Telefondienstleister zur Beklagten geworben wurde. Eine Geschäftsbeziehung des Zeugen Prof. C zur Beklagten bestand nicht.

Am 31.08.2006 erhielt die Zeugin S auf dem privaten Anschluss eines Herrn S unverlangt von einer Frau V einen Anruf, mit dem im Auftrag der Beklagten für einen Anbieterwechsel zur Beklagten geworben wurde.

Am 06.09.2006 erhielt die Zeugin S über ihre private Rufnummer unverlangt von einem Herrn I einen Anruf, mit dem im Auftrag der Beklagten für einen Wechsel der Zeugin von ihrem Telefondienstleister zur Beklagten geworben wurde.

Am 11.11.2006 und am 17.11.2006 sei der Zeuge K durch Werbeanrufe belästigt worden.

Am 14.12.2006 erhielt die Zeugin T über ihre private Rufnummer unverlangt von einem Herrn S einen Anruf, mit dem im Auftrag der Beklagten für einen Wechsel der Zeugin von ihrem Telefondienstleister zur Beklagten geworben wurde.

Die Beklagte hat trotz Abmahnung vom 27.09.2006 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht unterzeichnet.

Der Kläger behauptet, der Anruf vom 11.09.2006 sei auf dem privaten Anschluss des Zeugen Prof. C. erfolgt. Die Anrufe bei dem Zeugen K seien auf dessen Privatanschluss von einer Person im Auftrag der Beklagten erfolgt. Bei diesen Anrufen sei für die Dienstleistungen der Beklagten geworben worden.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, künftig im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs zu unterlassen, private Endverbraucher, zu denen keine laufende Geschäftsbeziehungen bestehen, unaufgefordert und ohne deren ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis im privaten Bereich anzurufen oder anrufen zu lassen, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, künftig im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs zu unterlassen, private Endverbraucher unaufgefordert und ohne deren ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis im privaten Bereich anzurufen oder anrufen zu lassen, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten,

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, künftig im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs zu unterlassen, private Endverbraucher unaufgefordert und ohne deren ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis im privaten Bereich anrufen zu lassen, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass die Anrufer jeweils Mitarbeiter der Beklagten gewesen seien sowie dass keine Geschäftsbeziehungen zwischen den Angerufenen und der Beklagten bestanden hätten. Sie behauptet hierzu, die Zeuginnen S und S hätten mehrfach das call-by-call-Produkt der Beklagten sowie – die Zeugin S – auch das "Internet-by-call"-Produkt der Beklagten genutzt.

Unter Verweis auf die Anlagen B4 und B5 (Bl.46f.d.A.) behauptet die Beklagte weiter, es hätten schriftliche Einwilligungserklärungen der Anschlussinhaber S und S vorgelegen; die Zeugin S habe ihr Einverständnis mündlich im Zuge einer Lifestyle-Befragung erteilt.





Entscheidungsgründe:


Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 7 Abs.1 und 2 Nr.2, 8 Abs.1, 2 und 3 Nr.3 UWG.

Nach § 3 UWG sind unlautere Wettbewerbshandlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gemäß § 7 Abs.1 UWG insbesondere, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt, was nach dem Regelbeispiel des § 7 Abs.2 Nr.2 UWG der Fall ist bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung. Hierbei sieht sich die Beklagte den Unterlassungsansprüchen in gleicher Weise ausgesetzt wie der Anrufer selbst, da zumindest für die Anrufe in den Fällen Prof. C, S. und S unstreitig ist, dass sie zumindest Beauftragten im Sinne von § 8 Abs.2 UWG, zu denen auch Mitarbeiter beauftragter Firmen zählen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25.Aufl., § 8, Rn.2.32, 2.43, 2.44 m.w.N.), getätigt wurden. In der Konsequenz besteht damit die Wiederholungsgefahr im Sinne beider Antragsalternativen "anrufen" und "anrufen lassen", ohne dass es auf die Frage ankäme, ob es sich nicht ohnehin um im Kern gleichartige Verstöße handelt.

Jedenfalls in den genannten vier Fällen lag auch Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung vor.

Soweit die Beklagte im Fall des Zeugen Prof. C aufgrund des Telefonbucheintrags "Diplom-Psychologe" meint bestreiten zu müssen, dass es sich um einen Privatanschluss des Zeugen handelt, ist dieses Bestreiten offenbar ins Blaue hinein und daher unbeachtlich. Die Angabe eines Titels weist nicht auf eine selbständige Tätigkeit hin. Im Übrigen hat die Beklagte zu einer mutmaßlichen Einwilligung des Zeugen in seiner angeblichen Eigenschaft als "sonstiger Marktteilnehmer" nichts vorgetragen.



Soweit die Beklagte angebliche Einverständniserklärungen der Anschlussinhaber S und S vorlegt, ist nicht festzustellen gegenüber wem und zu welchem Zweck diese erteilt worden sind. Bei der Erklärung S ist zudem ein Datum weder vorgetragen noch erkennbar. Selbst wenn diese Erklärungen aber gegenüber der Beklagten oder ihrem Vertriebspartner abgegeben wären und in zeitlicher Hinsicht zum Zeitpunkt des Telefonanrufs noch hätten gültig sein können, sind sie jedenfalls in analoger Anwendung der Regelungen zur Unzulässigkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen unwirksam. Denn sie stellen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, weil die erklärte Einwilligung sich nicht auf Werbung im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern auch sonstige Werbung ermöglicht (vgl. i. e. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25.Aufl., § 7, Rn.47 m.w.N.). Im Falle der Zeugin S liegt kein ausreichender, einer Beweiserhebung zugänglicher Vortrag zu einer Einwilligung in Werbeanrufe vor. Es erscheint im Gegenteil völlig unplausibel, wieso im Rahmen einer Lifestyle-Befragung eine Einwilligung für Werbeanrufe für Telekommunikationsdienstleistungen der Beklagten erteilt worden sein soll.

Zwar kann eine konkludente Einwilligung in Betracht kommen, wenn eine Geschäftsbeziehung zum Anrufer besteht (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25.Aufl., § 7, Rn.53). Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Werbenden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25.Aufl., §7, Rn.44), so dass das Bestreiten des Fehlens einer Geschäftsverbindung durch die Beklagte nicht ausreichend ist. Soweit in zwei Fällen – zudem pauschal und ohne jegliche konkreten Angaben zu Daten - eine vorherige Vertragsbeziehung mit der Beklagten als Call-by-call-Anbieterin vorgetragen wird, kann dies nicht zur Annahme einer konkludenten Einwilligung in Werbeanrufe zum Zweck des Wechsels des Telekommunikationsanbieters führen. Denn die Einwilligung zu Anrufen kann sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Zuge einer engen Auslegung nur auf solche Anrufe beziehen, die das konkrete Vertragsverhältnis betreffen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25.Aufl., § 7, Rn.53). Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es dem Call-by-call-Kunden gerade darauf ankommt, eine einmalige Leistung ohne weitere Vertragsbindung in Anspruch zu nehmen. Insofern ist die Annahme, schon durch die bloße Vorwahl einer Call-by-call-Nummer werde die konkludente Einwilligung für Werbeanrufe im Auftrag des Anbieters für dessen sonstige Dienstleitungen erteilt, sehr fernliegend.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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