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Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 12.08.2009 - 31 C 1738/07 - Keine Störerhaftung für filesharing bei nachweislich ausgeschaltetem PC

AG Frankfurt am Main v. 12.08.2009: Keine Störerhaftung für filesharing bei nachweislich ausgeschaltetem PC


Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 12.08.2009 - 31 C 1738/07) hat entschieden:

   Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Urheberrechtsverletzung denjenigen, der eine Rechtsverletzung durch Filesharing behauptet. Allerdings trifft den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast. Nutzt der Inhaber eines Netz-Anschlusses diesen nicht allein, kann nicht angenommen werden, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass gerade der Inhaber des Internetanschlusses diesen zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung genutzt und die Rechtsverletzung begangen hat. Der Anschlussinhaber haftet daher nicht für die Rechtsanwaltskosten des Urhebers, wenn er darlegt, dass weder er noch andere Nutzungsberechtigte zur Zeit eines Tauschbörsen-Downloads in der Wohnung anwesend waren und darüber hinaus der PC ausgeschaltet war.




Siehe auch
Filesharing
und
Urheberrechtsschutz


Tatbestand:


Die Parteien streiten um Schadensersatz und Erstattung von Rechtsanwaltskosten wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin betreibt ein Tonträgerunternehmen und ist Inhaberin der Verwertungsrechte an dem Tonträger „Sommer unseres Lebens“ von Sebastian Hämer. Der Beklagte ist Besitzer eines Computers und hat über seinen Provider T-Online Internetzugang. Die Internetverbindung wird ausschließlich durch den Beklagten und seinen zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung 22 Jahre alten Sohn benutzt. Der Router des Beklagten war am 03.09.2006 um 10:31:25 Uhr MEZ eingeschaltet.

Am 12.09.2006 erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen des rechtswidrigen Anbietens des Tonträgers. Nach Erhalt der Strafanzeige hat die Staatsanwaltschaft unter dem 20.09.2006 den Provider T-Online angeschrieben und unter Mitteilung von (u.a.) IP-Nummer, Datum und Uhrzeit um Auskunft über den Nutzer gebeten. Die entsprechende Auskunft wurde durch T-Online erteilt.

Nach Akteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft wurde dem Beklagten von der Klägerin unter dem 30.10.2006 ein Abmahnschreiben zugesandt, in dem der Beklagte unter Fristsetzung bis zum 07.11.2006 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Durch Schreiben vom 29.11.2006 wies der Beklagte die Ansprüche der Klägerin zurück.

Nach weiterer Korrespondenz gab der Beklagte unter dem 25.01.2007 eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Schadensersatz und die bei der Klägerin angefallenen Rechtsanwaltsgebühren zahlte der Beklagte nicht. Wegen des weiteren Inhalts der vorgerichtlichen Korrespondenz wird auf Bl. 95–118 d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, mittels des Programms File Sharing Monitor V.1.3.1 das absolut einwandfrei funktioniere, sei durch die Firma Logistep ermittelt worden, dass von dem Nutzer der IP-Adresse 84 183 243 174 am 03.09.2006, 10:31:25 Uhr MEZ mittels des Programms eMule 0.47a anderen Mitgliedern einer Tauschbörse das Lied „Sommer unseres Lebens“ von Sebastian Hämer zum Download angeboten worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass von der Firma Logistep auch der hash-Wert (0e812919da751b2a653f74f034e5601f) ermittelt worden sei, der eindeutig nur diesem Lied zugewiesen werden könne. Die IP-Adresse 84 183 243 174 sei am 03.09.2006, 10:31:25 Uhr. MEZ dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet gewesen.

Die Klägerin behauptet, der Beklage habe die Urheberrechtsverletzung selbst begangen. Sie ist, der Ansicht, hierfür spreche schon der Anscheinsbeweis, da der Beklagte Inhaber des Internetanschlusses sei. Selbst wenn die Rechtsverletzung von einem Dritten begangen worden wäre, hafte der Beklagte jedenfalls als Störer. Der Beklagte müsse sowohl im Falle der Rechtsverletzung durch eine Person aus seinem Haushalt als auch im Falle eines unberechtigten Zugriffs eines unbekannten Dritten auf seinen Internetanschluss von außen für die Rechtsverletzung einstehen.

Die Klägerin behauptet ferner, der Router des Beklagten verfüge über W-LAN-Funktionalität.

Die Klägerin hält einen Gegenstandswert von 10.000 € für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren für angemessen.

Die Klägerin beantragt,

  
den Beklagten zu verurteilen, an sie 801,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen auf 150 € seit dem 03.10.2006 und auf 651,80 € seit dem 10.01.2007.
Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Doppelzuordnungen der IP-Adresse seien möglich. In Tauschbörsen sei es zudem gängig, IP-Adressen zu manipulieren. IP-Adressen könnten nicht immer eindeutig einem Anschluss zugeordnet werden. Zudem sei ein hash-Wert nicht eindeutig, einer Datei zuordnenbar; Manipulationen seien möglich.

Der Beklagte behauptet weiter, er habe sich zu dem Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung bei seiner Mutter befunden. Er habe in der Nacht vom 02. auf den 03.09.2006 bei seiner Mutter übernachtet und sei erst am 03.09.2006 spätnachmittags in seine Wohnung zurückgekehrt. Auch sein Sohn sei am 03.09.2006 nicht zu hause, sondern bei seiner Freundin in Brandenburg gewesen; Seine Ehefrau habe in der Nacht vom 02. auf den 03.09.2006 Nachtschicht gehabt, sei am 03.09.2006 gegen 7:30 Uhr ins Bett gegangen und habe zur Tatzeit geschlafen.

Der Beklagte behauptet weiter, sein Computer sei zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung ausgeschaltet gewesen.

Ferner behauptet der Beklagte; er habe an seinem Router sämtliche file-sharing-ports gesperrt. Lediglich der Internet-Port 80 und der Port 110 für E-Mail seien geöffnet gewesen. Bei dieser Routerkonfiguration sei ein Betrieb der Software eMule nicht möglich gewesen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin keine Abmahngebühren verlangen könne, da es sich um ein Massenverfahren handele.

Er ist ferner der Ansicht, dass ein Gegenstandswert von allenfalls 500 bis 1 000 € für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren angemessen sei, da bei einem illegalen Download der entgangene Gewinn von lediglich 0,10 bis 0,20 € berücksichtigt werden und davon ausgegangen werden müsse, dass lediglich 10 % der Nutzer den Song andernfalls legal erworben hätten.




Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 29.10.2007 (Blatt 183 f. d.A.) und vom 09.04.2008 (Bl. 259 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen Heinzelmann und Ingeborg Fritsch sowie durch Vernehmung der Zeugin Carmen Fritsch. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2007 (Bl. 212 ff. und 145 ff. d.A.), vom 16.06.2008 (Bl. 276 ff. d.A.) und vom 22.07.2009 (Bl. 433 ff. d.A.) sowie auf die schriftliche Aussage des Zeugen Heinzelmann (Bl. 285 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der vorgetragenen Rechtsansichten wird ferner auf die zwischen den Parteien, gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


I. Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten, aus den allein denkbaren §§ 97 Abs. 1 UrhG, 683 Satz 1, 677, 670 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte wirksam bestritten hat, dass von der IP-Adresse 84 183 243 174 am 03.09.2006 um 10:31:25 MEZ tatsächlich das Lied „Sommer unseres Lebens von Sebastian Hämer anderen Mitgliedern einer Tauschbörse zum Download angeboten worden ist und dass diese IP-Adresse dem Internetanschluss des Beklagten zuzuordnen ist. Selbst wenn dies der Fall ist, hat die Klägerin jedenfalls die Passivlegitimation des Beklagten nicht nachzuweisen vermocht. Der Beweisbeschluss vom 29.10.2007 (Bl. 183 ff. d.A.) war daher nicht weiter durchzuführen.

1. Dass der Beklagte das in Rede stehende Filesharing am 03.09.2006 um 10:31:25 Uhr MEZ eigenhändig begangen hat, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Die Klägerin hat vor dem Hintergrund, dass der Beklagte der Inhaber des streitgegenständlichen Internetanschlusses ist, behauptet, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung durch Anbieten des Liedes an andere Mitglieder einer Tauschbörse zum Download im Internet selbst begangen habe. Dies hat der Beklagte wirksam bestritten.

Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Urheberrechtsverletzung den Anspruchsteller, hier also die Klägerin. Allerdings trifft den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast. Als solche wird die Last einer Gegenpartei bezeichnet, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen Partei zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob es diesem zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. dazu allgemein BGH, Urteil vom 24.11.1998, VI ZR 338/97, zitiert nach Juris m.w.N.).

Die Klägerin kann keine Kenntnis davon haben, wer den Internetanschluss des Beklagten zum ermittelten Zeitpunkt tatsächlich genutzt hat. Dieser Umstand liegt allein in der Sphäre des Beklagten. Dem Beklagten obliegt daher eine sekundäre Darlegungslast.

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nachgekommen. Er hat sich nicht auf einfaches Bestreiten beschränkt, sondern vielmehr vorgetragen, dass er in der Nacht vom 02. auf den 03.09.2006 bei seiner Mutter übernachtet habe und erst am 03.09.2006 spätnachmittags in seine Wohnung zurückgekehrt sei. Auch sein Sohn sei am 03.09.2006 nicht zu hause, sondern bei seiner Freundin in Brandenburg gewesen. Seine Frau habe in der Nacht vom 02. auf den 03.09.2006 Nachtschicht gehabt und sei erst gegen 7:30 Uhr am 03.09.2006 ins Bett gegangen und habe zur Tatzeit noch geschlafen. Der Computer sei zum fraglichen Zeitpunkt ausgeschaltet gewesen. Damit hat der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin sehr wohl konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er die Rechtsverletzung nicht selbst begangen hat. War der Beklagte aber nach seinem eigenen Vortrag zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht zu hause, kann ihm auch nicht im Rahmen der sekundären Darlegungslast auferlegt werden, den Täter namentlich zu benennen, da ihm dies aus eigener Kenntnis unmöglich ist. Der Auffassung der Klägerin, dass der Beklagte darüber hinaus substantiiert darzulegen haben soll, auf welche Weise, wann und wo ein unberechtigter Dritter Zugang zu dem in Rede stehenden Anschluss gehabt haben soll, kann nicht gefolgt werden. Hat der Beklagte – wie im vorliegenden Fall – substantiiert dazu vorgetragen, dass er selbst die Rechtsverletzung nicht begangen haben kann, hat er hiermit auf die Darlegung der Klägerin, dass sich aus den Ermittlung den Firma Logistep, die diese mit dem Programm File Sharing Monitor V.1.3.1 durchgeführt habe, in Verbindung mit der durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durchgeführten Anfrage bei dem Provider T-Online ergebe, dass die IP-Adresse, von der aus die Rechtsverletzung begangen worden sei, zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen gewesen sei, hinreichend erwidert.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin spricht auch nicht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Beklagte als Anschlussinhaber die Rechtsverletzung begangen hat. Ein Anscheinsbeweis setzt voraus, dass ein Sachverhalt vorliegt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder auf die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 29.06.1982, VI ZR 206/80, zitiert nach Juris). Der Beklagte hat – insoweit von der Klägerin unwidersprochen – vorgetragen, dass der Internetanschluss nicht nur von ihm, sondern auch von seinem Sohn genutzt wird. Zudem wohnt der Beklagte nicht allein, sondern zusammen mit seinem Sohn und seiner Ehefrau. Nutzt der. Inhaber des Anschlusses diesen jedoch nicht alleine, kann nicht angenommen werden, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass gerade der Inhaber des Internetanschlusses diesen zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung genutzt und die Rechtsverletzung begangen hat (so im Ergebnis auch LG Mannheim, Beschluss vom 25.01.2007, 7 O 65/06, zitiert nach Juris).

Selbst wenn man einen Anscheinsbeweis annehmen wollte, hätte der Beklagte diesen entkräftet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht selbst begangen, hat.

Zum einen hat die Mutter des Beklagten im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt, dass der Beklagte am 02.09.2006 abends zu ihr gekommen sei und am 03.09.2006 gemeinsam mit seiner Schwester die Wohnung ihres geschiedenen Mannes ausgeräumt habe. Er habe dann noch bei ihr zu Mittag gegessen und Kaffee getrunken und sei dann wieder gefahren. Die Zeugin hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass sie sich hieran noch, so genau erinnern könne, weil sie seit über 50 Jahren eine Art Tagebuch in Form eines Taschenkalenders führe, in das sie die Besuche ihrer Kinder eintrage. Ausweislich des von der Zeugin vorgelegten Taschenkalenders 2006, den das Gericht in Augenschein genommen hat, enthält der Kalender unter dem Datum 03.09.2006 die Eintragung: „Peter war da – hat beim Alten geräumt, Mittag und Kaffee“. Das Gericht hat keinen Anlass an den Darlegungen der Zeugin, die auch durch den von ihr vorlegten Kalender belegt werden, zu zweifeln. Ihre Aussage ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Es steht daher nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt nicht zu hause war.

Allein hieraus könnte jedoch nicht geschlossen werden, dass der Beklagte die Rechtsverletzung nicht selbst begangen hat. Das hier in Streit stehende Bereitstellen einer Datei im Internet zum Herunterladen erfordert nämlich keine persönliche Anwesenheit vor dem PC, sondern es reicht aus, dass der Rechner mit Dateien und Tauschprogrammen online ist (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 15.07.2008, 310 O 144/08, vorgelegt als Anlage K 18, Bl. 345 f. d.A.). Damit Dateien von dem Rechner des Beklagten heruntergeladen werden können, hätte der Rechner jedoch eingeschaltet sein müssen. Dass der Rechner ausgeschaltet war, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin Carmen Fritsch, hat in ihrer Vernehmung bekundet, dass in der Wohnung des Beklagten fast alle Geräte mit Steckerleisten mit Leuchtschaltern ausgestattet seien. Sie habe es sich zur Routine gemacht, bevor sie schlafen gehe, ringsum zu kontrollieren, ob alle Geräte ausgeschaltet seien. Dies sei ein Ritual, wie dass sie schaue, ob alle Fenster zu seien. Als Grund für diese Verhalten hat die Zeugin angegeben, sie mache das aus Energiespargründen und weil sie – wenn sie allein sei – Angst habe, dass etwas passiere. Dass sie dies auch am 03.09.2006 gemacht habe und sich daran noch erinnern könne, hat die Zeugin damit begründet, dass sie in der Nacht vom 02. auf den 03.09.2006 nach drei Wochen Urlaub wieder ihren ersten Dienst als Krankenschwester gehabt habe und sie nicht wie jeder normale Mensch am Montag, sondern eben bereits in der Nacht von Samstag auf Sonntag wieder habe anfangen müssen zu arbeiten. Das Gericht hat keinen Anlass an der Aussage der Zeugin zu zweifeln, auch wenn die Zeugin als Ehefrau des Beklagten grundsätzlich ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass bereits knapp zwei Monate nach dem 03.09.2006 die Klägerin dem Beklagten ein Abmahnschreiben geschickt hat und damit Vorkommnisse, die grundsätzlich alltäglich sind, im Nachhinein eine besondere Bedeutung für die Zeugin erlangt haben, was erklärt, warum sie sich daran erinnern kann. Zudem hält das Gericht es für nachvollziehbar, dass die Zeugin regelmäßig aus Energiespargründen kontrolliert, ob alle Geräte aus sind. Zudem deckt sich die Aussage der Zeugin mit den Angaben des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung. Der Beklagte hat ebenfalls erklärt, sie würden durch das Ausschalten der Steckerleisten unnötigen Stromverbrauch verhindern wollen und seien vorsichtig, damit es keinen Kurzschluss gebe. Zudem hat der Beklagte bekundet, dass er den Computer samt Steckerleiste immer ausschalte, wenn er ihn nicht nutze, und dies auch am Abend des 02.09.2006 gemacht habe, nachdem er als letzter noch den Computer genutzt habe.



2. Eine Haftung des Beklagten als Täter für den Urheberrechtsverstoß kann auch – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – nicht auf Grundlage der „Halzband“-Entscheidung des BGH (Urteil vom 11.03.2009, I ZR 114/06, zitiert nach Juris) angenommen werden. Die Klägerin führt hierzu aus, dass diese Rechtsprechung auf die Fälle des Filesharing übertragbar sei.

Der BGH hat in der „Halzband“-Entscheidung entschieden, dass, wenn ein Dritter ein fremdes Mitgliedskonto bei eBay zu Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstößen nutzt, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskonto gelangt ist, weil der Inhaber diese nicht hinreichend vor fremdem Zugriff gesichert hat, der Inhaber des Mitgliedskontos sich wegen der von ihm geschaffenen Gefahr einer Unklarheit darüber, wer unter dem betreffenden Mitgliedskonto gehandelt hat und im Falle einer Vertrags- oder Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, so behandeln lassen muss, als ob er selbst gehandelt hätte. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist jedoch – wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt – dass die Kontrolldaten und das Passwort eines Mitgliedskontos bei eBay als ein besonderes Identifikationsmittel ein Handeln unter einem bestimmten Namen nach außen hin ermöglichen. Im Hinblick darauf – so der BGH – bestehe eine generelle Verantwortung und Verpflichtung des Inhabers eines Mitgliedskontos bei eBay, seine Kontaktdaten so unter Verschluss zu halten, dass von ihnen niemand Kenntnis erlangt. Der Grund für die Haftung desjenigen, der seine Kontaktdaten nicht unter Verschluss gehalten hat, besteht daher nach den Ausführungen des BGH in der von ihm geschaffenen Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat, und dadurch die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und gegebenenfalls (rechtsgeschäftlich oder deliktisch) in Anspruch zu nehmen, erheblich beeinträchtigt werden. Dieser Fall ist jedoch mit dem schlichten Unterhalten eines Internetzugangs nicht vergleichbar. Die Kontrolldaten und die Mitgliedsnummer bei eBay sind besondere Identifikationsmittel zur Identifikation der über eBay auftretenden Person. Eine solche Qualität kann der Unterhaltung eines Internetanschlusses aber nicht beigemessen werden. Seine Daten dienen nicht der Identifikation des Inhabers bei der Teilnahme am Rechtsverkehr.

3. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich für die Klägerin auch nicht daraus, dass der Beklagte in sonstiger Weise als Störer für die Unterlassung der Urheberrechtsverletzung haftet. Zwar kann als Störer für eine Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Ein solcher Beitrag kann vom Beklagten dadurch geleistet worden sein, dass er dem Täter seinen Computer und damit den Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt hat. Allerdings setzt die Haftung desjenigen, der selbst weder Täter noch Teilnehmer der Verletzung ist, voraus, dass er Prüfungspflichten verletzt hat. Andernfalls würde die Störerhaftung in nicht hinnehmbarer Weise auf Dritte erstreckt, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Internet-Anschluss auch von seinem zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung 22jährigen Sohn genutzt wird. Da nach der Beweisaufnahme – wie dargelegt – zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Computer des Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt ausgeschaltet war, kann aber auch der Sohn des Beklagten über diesen Computer und den Internetzugang des Beklagten die Rechtsverletzung nicht begangen haben.




Unabhängig davon würde der Beklagte für eine Rechtsverletzung durch seinen volljährigen Sohn auch nicht als Störer haften. Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt im Beschluss vom 20.12.2007 (11 W 58/07, zitiert nach Juris) an, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses nicht ohne weitere Anhaltspunkte für eine zu erwartende Rechtsverletzung verpflichtet ist, seine volljährigen Familienangehörigen bei der Nutzung seines Anschlusses zu überwachen. Das Gericht macht sich die zutreffende Begründung des OLG Frankfurt in dem zitierten Beschluss vollumfänglich zu eigen.

Dass es bereits früher derartige oder ähnliche Rechtsverstöße gegeben hätte, die über den Anschluss des Beklagten begangen wurden und den Beklagten zu einer Überwachung seiner Familienangehörigen hätten veranlassen müssen, ist jedoch nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Daher traf den Beklagten gegenüber seinem volljährigen Sohn keine Überwachungspflicht.

4. Eine Haftung des Beklagten besteht auch nicht wegen der Benutzung eines ungeschützten W-LAN durch Dritte. Dabei kann dahin stehen, ob der zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung angeschaltete Router des Beklagten tatsächlich über eine W-LAN-Funktion verfügt und ob diese Funktion aktiviert war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde der Beklagte nicht als Störer haften.

Zwar wird in der Rechtsprechung vertreten, dass zur Begründung der Störerhaftung genüge, dass ein Internetzugang geschaffen werde, der aufgrund einer unverschlüsselten W-LAN-Verbindung objektiv für Dritte nutzbar sei. Dies wird damit begründet, dass der kabellose W-LAN-Anschluss die Möglichkeit eröffne, dass Dritte sich – ohne Wissen und Wollen des Anschlussinhabers – unbemerkt in das Netzwerk einloggen und dessen Anschluss „mitbenutzen“ (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei OLG Frankfurt, Urteil vom 11.07.2008, 11 U 52/07, zitiert nach Juris).

Eine solche uneingeschränkte Haftung des W-LAN-Anschlussinhabers geht jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts zu weit. Das erkennende Gericht schließt sich vielmehr der Auffassung des OLG Frankfurt an, dass der W-LAN-Anschlussbetreiber im privaten Bereich erst haftet, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Anschlusses von außen bestehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.07.2008, 11 U 52/07, zitiert nach Juris). Eine Haftung des W-LAN-Anschlussinhabers für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen, allein aufgrund der Unterhaltung des Internetanschlusses erscheint unbillig. Hierdurch würde die einen eigenverantwortlich handelnden Dritten treffende Pflicht, sich rechts- und gesetzmäßig zu verhalten, über Gebühr auf Dritte ausgedehnt. Auch die Interessen der Klägerin werden dadurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt und die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung nicht unzumutbar erschwert, weil immer dann, wenn der Anschlussinhaber von konkreten Rechtsverletzung erfahren hat, seine Prüfungs- und Überwachungspflicht einsetzt.



Dass der Beklagte hier konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Anschlusses von außen hatte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beklagte W-LAN nicht genutzt hat und daher auch keinen Anlass hatte, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Klägerin hat den Vortrag des Beklagten, er nutze kein W-LAN nicht bestritten, sondern lediglich vorgetragen, der Router des Beklagten verfüge über eine W-LAN-Funktion.

Haftet man aber schon nicht für den Betrieb eines unverschlüsselten W-LAN-Anschlusses, kann erst recht keine Haftung aufgrund des Umstandes angenommen werden, dass der Router, der über eine W-LAN-Funktion verfügt, zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung angeschaltet war. Eine Verpflichtung des Anschlussinhabers, den Router nach der Nutzung immer auszuschalten, besteht nicht. Dies gilt aus den vorstehenden Gründen jedenfalls, wenn für den Anschlussinhaber keine konkreten Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Anschlusses von außen bestehen. Zudem würde hierdurch auch kein vollständiger Schutz vor Missbrauch durch Dritte bestehen, da während der Nutzungszeiten der Router weiterhin angeschaltet wäre. Auch das OLG Frankfurt ist in der vorstehend zitierten Entscheidung erkennbar davon ausgegangen, dass keine Pflicht zur Abschaltung des Routers besteht. In dem dort entschiedenen Fall war streitig, ob der Router des Anschlussinhabers zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung abgeschaltet war und ob der Router aktiviert war. Das OLG Frankfurt hat diese Frage nicht geklärt und damit erkennbar nicht für entscheidungserheblich gehalten.


II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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